■ Cash & Crash
: Verlustreiches Daytrading auch in Deutschland

Nürnberg (taz) – Die Ergebnisse der US-Studie über die Geschäfte der privaten Daytrader waren ernüchternd. Der Verband der regionalen Wertpapieraufsichtsbehörden hatte bei seiner Untersuchung festgestellt, dass fast drei Viertel der Amateure, die per Computer online mit Aktien zocken, abends mit einem Minus nach Hause gehen müssen. Trotzdem boomt das Geschäft mit dem Daytrading. Auch Ticktrading floriert, bei dem die Beteiligten innerhalb eines Tages auf geringste Kursbewegungen (Ticks) mit Käufen und Verkäufen von Wertpapieren und Wetten auf die Zukunft, wie Futures oder Optionen, reagieren.

Die US-Wertpapieraufseher kamen nach einer Überprüfung von mehreren tausend Transaktionen zum Schluss, dass rund 70 Prozent der Hobby-Händler „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alles verlieren, was sie investiert haben.“ Und den Daytrading-Unternehmen, die jedem einen Platz an einem PC mit Zugang zum Börsenhandel vermieten, wurde vorgeworfen, in der Werbung die Chancen allzu schön darzustellen. „Nur einer der Kunden hatte mit dem Daytrading tatsächlich Erfolg. Und der Kontostand rechtfertigt nicht das Risiko.“

Auch in Deutschland haben Spekulanten inzwischen den Reiz des täglichen Börsenspiels entdeckt. In Städten wie Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Frankfurt oder Bremen sind Trading-Center entstanden, in denen jedermann für eine Monatsmiete von 1.000 bis 1.500 Mark sein Glück als Börsenguru versuchen kann. Das Handelsprogramm ist immer online, und dazu gibt es – auf einem zweiten Monitor – Charts und Kurse, Grafiken und Unternehmensnachrichten.

Zur Sicherheit müssen Neulinge 50.000 Mark hinterlegen, aber selbst das schreckt Zocker nicht ab, denn die Trading-Center melden alle regen Zulauf.

Wer sich den Gang in den elektronischen Börsensaal ersparen möchte, kann auch bei einigen der Online-Broker im Internet das Daytrading-Spiel mitmachen. Comdirect, ConSors oder Direkt-Anlage-Bank (DAB) bieten die Möglichkeit zum schnellen Handel seit Monaten an und registrieren wachsenden Zulauf zum Börsen-Roulette.

Einige tausend Kunden, so schätzt man bei den Direktanbietern ConSors und DAB, nutzen das Angebot, um die schnelle Mark zu verdienen. Und laut Presseberichten ist es auch ganz einfach, mal eben einige hundert oder tausend Mark Gewinn zu machen. „Nur Minuten nach seiner Dax-Prognose sind die Kurse tatsächlich gefallen“, staunt das Manager Magazin. „Per Knopfdruck stellt er seinen Future-Kontrakt wieder zum Kauf – in wenigen Minuten hat er 500 Mark verdient.“

ConSors-Chef Karl Matthäus Schmidt hält das Angebot für Privatleute, in den hochspekulativen Markt einzusteigen, für „sehr verlockend“. Über mögliche verheerende Folgen für die zumeist ungeübten Hobby-Zocker macht man sich bei ConSors und DAB hingegen keine Gedanken. „Wir verhalten uns da vollkommen neutral“, heißt es bei der Münchner Direkt-Anlage-Bank.

Nicht nur Altbundeskanzler Helmut Schmidt, sondern auch Psychiater wie der Hamburger Iver Hand halten diese Entwicklung inzwischen für abnorm. Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn der Wert von realer Arbeit sinkt und „es nur von Glück und Zufall abhängt, ob man zu den Gewinnern oder den Verlierern gehört“, fragt Psychotherapeut Hand. Amateur-Zocker tun gut daran, sich mit Verlusten und der endgültigen Pleite mental vertraut zu machen. Denn auch der spielerisch herbeigeführte Ruin will verkraftet werden.

Horst Peter Wickel