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Ein grauer, ungemütlicher Abend im Hamburger Karolinenviertel. Aus Trotz trinken wir das Bier draußen vor der Kneipe. Als wir einsehen, dass der Sommer vorbei ist, gehen wir weiter. In der Marktstraße stehen einige Leute vor einem Ladenfenster und sehen einem Mann zu, der drinnen pausenlos herumrennt. Der Mann heißt Horst Sagunski und rennt schon seit 16 Uhr. Vorher ist er mit dem Fahrrad acht Stunden lang um den Block gefahren und hat sich dabei filmen lassen. Sie finden das seltsam? Sagunski ist Künstler, und wir stehen vor dem Haus Nummer 6. Dort passieren in letzter Zeit viele „seltsame“ Dinge. In dem Raum, der mal als Veranstaltungsort, mal als Galerie dient, findet in diesem Monat die Veranstaltungsreihe „puzzelink_evidenz.2.überschneidungen“ statt. „Wir wollten einen Ort schaffen, wo Leute aus ganz verschiedenen Bereichen aufeinanderstoßen“, sagt Andrea Weisbrod, Puzzelink-Mitinitiatorin. Zusammen mit Jens E. Sennewald, Elisabeth Rudolf und Christopher Geiger ließ sie nun die Reihe ins zweite Jahr gehen. „Wir wollten keine inhaltliche Klammer, sondern haben einfach Leute eingeladen, die wir interessant finden.“

Zu diesen Leuten gehört auch der Künstler Jens Huckeriede, der sich seit Jahren mit dem Thema „Kunst nach Auschwitz“ beschäftigt: „Dieses Thema kann man nicht nur historisch angehen. Es geht nicht nur um die Toten, es geht auch um die Gegenwart, um die Lebenden.“ Kunst will Huckeriede deshalb im öffentlichen Raum stattfinden lassen. Im Juni diesen Jahres startete er sein über vier Jahre angelegtes Projekt „Transmission 1 – Erinnerungszyklus“. Der erste Teil fand im und vor dem ehemaligen jüdischen Volksheim in der Wohlers Allee in Altona statt. Die Fußgänger auf der Straße konfrontierte er mit sieben, im inneren Monolog begriffenen SchauspielerInnen in Kleidung der Jahrhundertwende. Später waren die Fenster und der Garten des Hauses Ort des multimedialen Geschehens. Was an diesem Tag in der Wohlers Allee passierte, hat Jens Huckeriede filmisch dokumentiert. Das Material stellt er heute Abend vor. Er hofft auf eine angeregte Diskussion darüber, wie Erinnerungsarbeit als kontinuierlicher Prozess einer künstlerischen Auseinandersetzung aussehen kann. Meike Fries

Transmission 1, heute, 20 Uhr, Marktstraße 6

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