Lungenentzündung kein Hindernis

■ Ausländerbehörde versucht, Mazedonierin mit krankem Kleinkind abzuschieben

Dule quengelt auf dem Arm seiner Mutter. Alle paar Minuten überfällt den Eineinhalbjährigen ein rasselnder Husten, er spuckt Schleim. Dule hat eine Lungenentzündung. Dennoch hat die Hamburger Ausländerbehörde gestern morgen versucht, ihn und seine 22-jährige Mutter Perijan A. nach Mazedonien abzuschieben. Nur weil die beiden zufällig nicht zu Hause waren, sind sie noch hier.

Perijan A. lebt – mit einer zweijährigen Unterbrechung – seit ihrem zwölften Lebensjahr in Hamburg. Seit 1992 hatte sie aufgrund der politischen Situation auf dem Balkan eine Duldung, einen Asylantrag hat sie nie gestellt. Hier in Hamburg heiratete A. vor zwei Jahren einen Serben aus der Bundesrepublik Jugoslawien – allerdings nur nach Roma-Recht, da dem Paar für eine behördliche Heirat die Papiere fehlten. Für die Behörde gelten sie damit nicht als Familie, so dass Perijan und Dule A. im Februar diesen Jahres alleine abgeschoben werden sollten. Dules Vater hatte weiterhin eine Duldung. „Aber auch ein Trauschein hätte die Ausländerbehörde wohl nicht abgehalten“, vermutet der Jurist Dejan Lazic, der A. betreut.

Um eine Abschiebung zu vermeiden, reiste A. mit ihrem Sohn im Februar „freiwillig“ aus und kam zunächst bei Verwandten ihres Mannes in der Nähe von Belgrad unter. Als ab Ende März die Nato den Ort bombardierte, floh sie erneut nach Hamburg. Auf der Flucht erkrankte Dule so schwer, dass er seitdem vier Mal stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Auch jetzt muss er noch mehrmals pro Woche zum Arzt.

Aufgrund der entsprechenden Atteste stellte die Ausländebehörde Perijan A. seit April Duldungen aus, die letzte Ende Juni. Sie wäre noch zwei Wochen gültig gewesen. Dennoch stand die Polizei gestern morgen um halb sieben vor der Tür, sowohl auf dem Flüchtlingsschiff in Neumühlen, wo Perijan A. gemeldet ist, als auch vor dem Flüchtlingsheim in Hamm, in dem ihr Ehemann wohnt. Mutter und Kind sind nun zunächst untergetaucht.

„Das Vorgehen widerspricht erneut dem, was die Regierungsparteien vereinbart haben“, kritisiert Lazic, „die Behörde macht, was sie will.“ SPD und GAL hatten sich nach einer Koalitionskrise darauf verständigt, dass kranke Flüchtlinge nicht abgeschoben werden, ohne dass sie ein Amtsarzt untersucht hat. Lazic will heute eine Petition für A. und ihren Sohn bei der Bürgerschaft einreichen. Der Jurist kritisiert auch, dass es für die Abschiebung von Perijan A. keinerlei Ankündigung gab – und damit auch keine Möglichkeit, die vorgesehenen Rechtsmittel einzulegen. Die Behörde war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Heute wird Perijan A. mit ihrem Kind erneut zum Arzt gehen. Ein neues Attest würde den beiden zumindest eine Verschnaufpause gestatten. Heike Dierbach