: „Das Kulturamt bin ich“
■ Der niedersächsische Städtetag hat die KulturarbeiterInnen entdeckt und serviert „Kultur rund um die Uhr“. Die Entdeckten machen – etwas zähneknirschend – mit
Die Leute vom niedersächsischen Städtetag haben sich etwas ausgedacht: Am Wochenende vom 3. bis zum 5. September bescheren sie dem ganzen Bundesland ein Programm namens „Kultur rund um die Uhr“ und wollen zwischen Adendorf und Zeven auf die Vielseitigkeit kommunaler Kulturarbeit aufmerksam machen. Doch die Leute von der kommunalen Kulturarbeit fanden das zunächst gar nicht so toll. „Was soll so ein Wochenende?“ fragten einige von ihnen. „Blödes Motto“, sagten andere. Und steuerten dann doch etwas zum Programm bei. Schließlich bekommt man als KulturreferentIn einen Bürgermeister ja nicht alle Tage bei Kulturveranstaltungen zu Gesicht. Und bei „Kultur rund um die Uhr“ werden erwartungsgemäß viele BürgermeisterInnen den Satz des Schirmherrn und niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski selbst in den Mund nehmen: „Der Staat und Gemeinden können nicht aus ihrer Verantwortung für die Förderung von Kunst und Kultur entlassen werden.“
Kommunale Kulturarbeit wird freilich nicht erst geleistet, seit der Städtetag sie entdeckte. Selbst in Gemeinden und kleineren Städten ist sie seit Mitte der 80er, Anfang der 90er Jahre etwas Selbstverständliches geworden, berichteten KulturarbeiterInnen aus Städten und Gemeinden des Bremer Umlandes gestern in Delmenhorst. Eine Großstadt wie Oldenburg leistet sich natürlich seit vielen Jahren ein eigenes Kulturamt. Doch in Städten und Gemeinden wie Lilienthal, Stuhr oder Delmenhorst arbeiten KulturreferentInnen seit acht, fünfzehn oder erst sechs Jahren im Spannungsfeld zwischen Brauchtumspflege und Innovation. Für viele gilt der Satz, den Lilien-thals Kulturbeauftragte Antke Bornemann zur Selbstbeschreibung benutzt: „Das Kulturamt bin ich.“
Kommunale Kulturarbeit ist auch außerhalb Bremens ein regelrechter Gemischtwarenladen aus Lobbyistentätig-keit, Grundversorgung, Qualitätsdefinition und Produktionsförderung.Dass zum Beispiel der Mann mit der Tolle, Götz Alsmann, demnächst in Delmenhorst gastiert, ist der städtischen Kulturamtsleiterin Karin Ludwig zu verdanken. „So etwas macht hier kein privater Veranstalter. Wenn sich das ändert, ziehen wir uns aus dem Bereich zurück.“ Kultur, meint sie, hat in Delmenhorst einen viel höheren Stellenwert bekommen. Neue Museen vor allem auf dem Expo-Standort Nordwolle sind ihr ein Beispiel. Auch eine freie Kunstschule, die es im benachbarten Stuhr oder in Bremen schon seit Jahren gibt, werde jetzt gegründet.
Doch die Ein-Personen-Kulturämter und die besser ausgestatteten KollegInnen sind nicht nur dazu da, als Veranstalter aufzutreten, Künstlerdatenbanken aufzubauen oder – wie auf Initiative der Gemeinde jetzt auch in Worpswede – Kunstschulen zu fördern. „Es gibt gute Kunst und schlechte – einer muss es ja sagen“, sagt Oldenburgs Kulturamtsleiterin Irmtraud Rippel-Manß. Doch mit solchen Qualitätsdefinitionen haben sich Viele lange schwer getan. Immerhin will zum Beispiel die Worpsweder Kulturbeauftragte Christine Bergmann in der Galerie im Alten Rathaus jetzt ein neues Ausstellungskonzept auf die Beine stellen: „Ein künstlerischer Beirat wird die Auswahl treffen und muss dann auch den Kopf hinhalten.“ Abzuwarten bleibt, ob die neue Qualität auch angenommen wird, also die Einschaltquote stimmt. Nicht immer haben kommunale KulturarbeiterInnen solch einen Rückhalt bei Bürgermeisterin und Verwaltungsdirektor wie Antke Bornemann aus Lilienthal, deren Credo „Ich will provozieren“ unterstützt wird.
Von einer Kulturwüste in der Region kann jedenfalls keine Rede mehr sein. Meist in Bürgerinitiativen haben die Menschen im prosperierenden „Speckgürtel“ alte Mühlen oder Gutsscheunen zu Veranstaltungsorten umgebaut. Längst findet „draußen“ etwas statt. Kommunale Kulturarbeit ist – mindestens 20 Stunden pro Woche – Alltag in den Gemeinden, auch wenn der niedersächsische Städtetag erst jetzt auf die Uhr geschaut hat. ck
Vom 3. bis 5. September gibt's in Niedersachsen „Kultur rund um die Uhr“. In Oldenburgs Kulturzentrum PFL geht's am 3.9. um 23 Uhr mit einer Woodstock-Filmnacht los, am 4.9. folgen Lesungen, Konzerte und Diskussionen (Infos unter 0441/23 50). Delmenhorst beteiligt sich am 4.9. unter anderem mit einem Tag der offenen Tür in den Museen (Infos unter 04221/99 11 04). In Rotenburg gastiert das Theater Metronom (Infos unter 04261/71 119). Und wer wissen will, was „de Rietfiedeln“ sind, muss am 4.9. ab 18 Uhr ins Bremervörder Bauernhaus-Atelier fahren.
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