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Ausbilden im Verbund

■ Unternehmen und Bildungsträger schaffen 900 neue Ausbildungsplätze

Britta Förster ist eine engagierte Unternehmerin. Seit einigen Jahren versucht sie, mit der Entwicklung von Solarenergie in der Baubranche Fuß zu fassen. „Inzwischen bauen wir selbst Solarhäuser“, sagt sie forsch, „sonst funktioniert das ja nicht.“ In anderen Bereichen der Unternehmensführung ist Förster zögerlicher – bei der Ausbildung zum Beispiel.

„Natürlich ist es gut, sich den eigenen Nachwuchs heranzuziehen“, sagt die Chefin eines Drei-Personen-Unternehmens im Ostberliner Bezirk Friedrichshain, „aber für einen so kleinen Betrieb wie dem unseren ist der zeitliche und finanzielle Aufwand viel zu groß.“ Förster kam daher ein Angebot des Bildungsträgers Stattbauhof, der in Friedrichshain Ausbildungsverbünde organisiert, gerade recht. Seit Anfang des Jahres bildet Förster einen Bürokaufmann aus – gemeinsam mit dem Stattbauhof. Insgesamt haben Stattbauhof und Friedrichshainer Unternehmen seit dem vergangenen Jahr 56 neue Ausbildungsplätze geschaffen, berlinweit waren es 1998 bereits 560, im Herbst sollen es 900 Stellen sein.

Christian Hölzer, Försters Azubi, hatte sich beim Stattbauhof beworben. Dessen MitarbeiterInnen übernahmen auch die Vorauswahl und schlossen – nach Försters Zusage – mit Hölzer einen Ausbildungsvertrag. „Ich bin jetzt bis zum Dezember hier, dann bereite ich mich einen Monat beim Stattbauhof auf meine Zwischenprüfung vor“, sagt der 21-Jährige. Insgesamt wird er 18 Monate in seinem Betrieb und 18 Monate beim Stattbauhof sein, wo er die Teile seiner Ausbildung absolviert, die für seine Chefin nicht rentabel sind. Förster bezahlt ihren Azubi nur für die Zeit, die er in ihrer Firma verbringt. Die andere Hälfte wird von einem Bund-Länder-Programm finanziert, mit dem in den neuen Bundesländern Ausbildungsplätze gefördert werden. Für jeden Ausbildungsplatz sind das durchschnittlich 26.500 Mark.

„Die finanzielle Seite ist für uns natürlich auch nicht unwichtig“, gibt Förster zu. Aber entscheidend sei gewesen, „dass ich mich um nichts kümmern musste und die Verantwortung für Christian letztlich beim Stattbauhof liegt“. Ohne die Unterstützung des Ausbildungsträgers hätte Förster gar keinen Bürokaufmann ausbilden können, denn die Buchhaltung, die ein solcher Azubi auch lernen muss, wird von einem Fremdunternehmen gemacht.

Nach der Erfahrung von Rainer Rodewald, der bei der Servicegesellschaft SPI den Bereich Ausbildung leitet, sind Försters Bedenken typisch für kleine Unternehmen. „Weil wir unbedingt neue betriebliche Ausbildungsplätze schaffen müssen“, sagt Rodewald, „müssen wir genau an diese Unternehmen ran.“ Rodewald koordiniert die bezirklichen Ausbildungsverbünde auf Landesebene. Der erste bezirkliche Ausbildungsverbund Berlins entstand vor zwei Jahren in Kreuzberg. Von dort breitete sich das Programm in andere Stadtteile aus, inzwischen gibt es in allen 23 Bezirken Ausbildungsverbünde, die jeweils von einem Leitbetrieb wie dem Stattbauhof betreut werden.

Die Idee ist freilich nicht neu. Ausbildungsverbünde sind bereits im Berufsbildungsgesetz von 1969 vorgesehen, doch mit ansteigender Jugendarbeitslosigkeit erlebten sie in den vergangenen Jahren eine Renaissance. Inzwischen gibt es in fast allen Bundesländern solche Verbünde, „aber der Ansatz in Berlin ist einmalig“, sagt SPI-Mann Rodewald. Nur in der Hauptstadt seien alle Kommunen eines Bundeslandes miteinbezogen, nur hier liege der Schwerpunkt auf Betrieben, die bislang gar nicht ausbilden.

Einen Nachteil aber hat die Verbundausbildung für die Auszubildenenden. Die Bezahlung ist bei allen Berufen gleich. Christian Hölzer erhält im ersten Lehrjahr 510 Mark, bei einer rein privaten Ausbildung wäre es doppelt so viel. „Toll ist das natürlich nicht“, sagt Hölzer, der vorher über 50 Absagen bekommen hatte. „Aber ich bin ja froh, dass ich einen Ausbildungsplatz habe.“

Sabine am Orde

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