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Fetenhelden der Neunziger

■ Easy Beats: Neben vielen anderen laden die japanophilen DJs Le Hammond Inferno in die Kalkscheune zum schicken Mitfliegen ein

Wenn Rockabilly-Fans gern die Vergangenheit aufleben lassen, und „Star Wars“-Liebhaber in die Zukunft schauen wollen, dann bewegen sich Le Hammond Inferno irgendwie kreuz und quer durch Raum und Zeit. Eben noch hüpfen sie mit 80-er-Jahre-Breakdance-Anzügen und komischen Unter-Tage-Leuchtbrillen auf dem Kopf bei eine Live-Performance im Maria am Ostbahnhof herum, dann jetten sie mal kurz ins futuristische Japan und bringen viele tolle Fotos mit schreienden Japanologen und tanzender Menge mit.

Die DJs beschwören bei ihren monatlichen Club-Veranstaltungen immer wieder die Zukunft der Partys, und haben gleichzeitig in ihren Jahren als Plattenauf- und -verleger genug Vergangenheit erlebt, um als alte Hasen der neuen Branche durchzugehen. An diesem hochpartyschwangeren wochenendeinleitenden Donnerstag bietet Le Club 17 ein typisches Mixprogramm: aus London The Karminsky Experience, aus Japan Fantastic Plastic Machine Tomoyuki Tanaka und aus Berlin DJ Maxwell Implosion, Stereo de Luxe und Le Hammond Inferno höchstpersönlich. Zwischen groovy cellar tunes, easy beats und modernen Soundexperimenten soll man sich also in die Bungalow-Airline einchecken und – fasten your seatbelts, it's gonna be a bumpy night!? – mitfliegen. Spötter nennen das stundenlang in verrauchten Räumen ausharren, umrundet von Partynudeln mit schräg über der Brust getragenen DIN-A-4-Taschen. Manchmal muss so eine volle Veranstaltung aber einfach sein, und Sauerstoffnot haben sowieso nur Weicheier. Wenn man den gut gelaunten Jungs von Le Hammond Inferno zuhört, möchte man gerne an ewige Jugend und Partylaune glauben, so enthusiastisch überzeugen Marcus Liesenfeld und Holger Beier immer noch Skeptiker vom Hammond-Pop der Zukunft. Ihr Label Bungalow, selbstverständlich stilsicher und todschick designt, präsentiert regelmäßig neue DJs, Remixe und Projekte und beweist, dass die 90-er-Jahre-Vernetzungs-und-Austausch-Idee zwischen Ländern, Musikstilen und Formaten in einem eleganten Musikkonglomerat funktionieren kann.

Auf die Japan-Berlin-Connection haben Le Hammond Inferno immer besonderen Wert gelegt. Sie machten vor ein paar Jahren alle Partykids Pizzicato-Five-süchtig, und am heutigen Abend infiziert Krach-Sound-DJ Fantastic Plastic Machine bestimmt wieder ein paar Unbelehrbare. Eine nicht uncharmante Vorstellung, dass ungefähr zeitgleich irgendwo in Tokio bestimmt eine Tanzveranstaltung mit Bungalow-Musik stattfindet, ähnlich tanzbar wie hier und mit ähnlich umschwärmten Plattenauflegestars. Und irgendwann schreiben die umtriebigen Salonlöwen von Le Hammond Inferno in zig Jahren dann mal ihre Memoiren auf: Unser Leben als Berliner Fetenhelden der Neunziger und wie wir eigentlich morgens sind. Jenni Zylka

Heute ab 22 Uhr in der Kalkscheune, Johannisstr. 4, Mitte

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