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Im Krieg schweigt das Recht?

betr.: „Strafbefehle wegen Aufruf gegen Jugoslawien-Krieg“, taz vom 20. 8. 99

Welche Gedanken sich die hinter den Strafbefehlen gegen die Unterzeichner des Verweigerungsaufrufs stehenden Richter und Staatsanwälte gemacht haben, weiß ich nicht. Möglicherweise haben sie den Satz Ciceros „Silent leges inter arma“ (Im Krieg schweigt das Recht) allzu wörtlich genommen. Die öffentliche Diskussion um die Bombardements auf Jugoslawien zeichnet sich ja auch sonst dadurch aus, dass die Kriegsbefürworter den völkerrechtlichen Aspekt völlig ignoriert oder aber durch eine rein moralisch-pragmatische Argumentation ersetzt haben.

Richter sind aber verpflichtet, die rechtlichen Vorfragen ihrer Entscheidung – hier: die völkerrechtliche Problematik – nicht minder gründlich zu prüfen wie ihre Angeklagten, denen sie vorwerfen, in angeblicher Verkennung der Zulässigkeit des Krieges Soldaten zur Verweigerung aufgerufen zu haben. Sollte es in den bevorstehenden Hauptverhandlungen zu Verurteilungen kommen, müsste der Vorwurf, die völkerrechtliche Frage nicht gewissenhaft genug geprüft zu haben, wohl an die Staatsanwälte und Richter zurückgegeben werden. Sie würden sich dann einem schwerwiegenden Vorwurf aussetzen: dem der Rechtsbeugung. Strafrechtlich zugute halten könnte man ihnen allein mangelnde Rechtskenntnis und ein Vorverständnis, das sich allzu oft an politische Vorgaben hält.

Allerdings ist es deutsche Tradition, dass viele Juristen sich im Zweifel an der Devise „Recht ist, was den Waffen nützt“ ausrichten.

Übrigens haben auch wir den Aufruf zur Verweigerung mitgezeichnet. Barbara Kramer, Rechtsanwältin, Dr. Helmut Kramer, Richter am OLG a. D., Wolfenbüttel

[...] Die FriedensfreundInnen stehen mit ihrer Ansicht nicht allein da. Ich habe zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer (15. Mai) für die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG/VI) in Bremen ein öffentliches „Dankmal“ gestaltet, mit dem wir uns bei allen Menschen bedanken, die den Kriegsdienst verweigern. Das „Dankmal“ dient zugleich der Mahnung, dass kein Mensch Soldat werden und erst recht nicht an einem Krieg teilnehmen sollte, der immer ein Verbrechen ist. Da macht auch der Krieg der Nato gegen Jugoslawien keine Ausnahme.

Ich erkläre mich hiermit ausdrücklich solidarisch mit den FriedensaktivistInnen, gegen die jetzt juristisch vorgegangen wird und mit deren Anliegen. Joachim Fischer, Bremen

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