: Nur konsequent
■ Schräge Vögel im „Themenabend: Exzentriker“ (So., ab 20.45 Uhr, Arte)
Eine wachsende Anzahl von Menschen fristet ihr Dasein eher am Rande denn in der Mitte der Gesellschaft. Jeden Stütze-Empfänger deshalb einen „Exzentriker“ zu nennen wäre dennoch falsch. Und würde die bekennenden Exzentriker vermutlich schwer beleidigen. Schließlich legt diese Spezies Wert auf die Feststellung, den Ausstieg aus Knechtschaft und Konventionen des Normalverbrauchers freiwillig vollzogen zu haben – womit ihre Vertreter für die Konsumforschung noch unbrauchbarer sind als Arbeitslose.
So wie etwa Dennis Severs. Der gebürtige Kalifornier wohnt zwar mitten in der Londoner City, lebt aber konsequent im 18. Jahrhundert. So verzichtet er nicht nur auf Auto und Laptop, sondern verbraucht auch keinen Strom und ist dennoch alles andere als ein Hardcore-Öko. Im 20. Jahrhundert, das ihn ebenso so amüsiert wie die Sorgen seiner Mitmenschen, schaut der Genussmensch höchstens mal zum Einkaufen vorbei. Einer aus einer ganzen Reihe absonderlicher Figuren, die Hannelore Hippe und Andrew Davies für ihre Dokumentation „Echt exzentrisch?“ aufgetan haben, die nach dem einleitenden Spielfilm („Die Zeit der bunten Vögel“) im Rahmen dieses Themenabends um 22.35 Uhr zu sehen ist.
Auf der Suche nach veritablen Exzentrikern sind die Autoren vor allem auf der großen britischen Insel fündig geworden. Wobei insbesondere Schottland ein Biotop für schräge Vögel aller Art zu sein scheint. Wofür der (schottische!) Psychologe und Exzentrik-Forscher David Weeks auch gleich eine Erklärung parat hat. Die Grenzen zwischen den sozialen Schichten, so Weeks, seien auf der Insel noch immer weit weniger durchlässig als auf dem Festland, weshalb so etwas wie Mobilität nur in der Horizontalen, im Anderssein, möglich sei.
Da der WDR für diesen Themenabend federführend ist, darf natürlich auch ein kölscher Exzentriker nicht fehlen: Holger Czukay. Wenn der ehemalige Keyborder der ebenso ehemaligen Kult-Combo Can rumnölt, dass er von dümmlichen Plattenbossen „gar nicht mehr beachtet“ werde, schimmert durch, dass Exzentriker nicht per se glücklich sind.
Besser gelaunt ist da schon der Erfinder John Ward. Der Mann entwickelt ständig skurrile Dinge, die keiner braucht, macht dabei aber einen überaus zufriedenen Eindruck. Wahrscheinlich würde er sich prima mit seinen fünf Kollegen verstehen, die anschließend in „Erfinder am Rande der Realität“ (23.35 Uhr) ihre materialisierten Geistesblitze vorführen. Zum Finale erklimmt dann noch „Rock 'n' Roll Jacky“ (0.20 Uhr) die Bühne: ein 72-jähriger Berlin-Neuköllner mit zwei Zentnern Lebendgewicht, der sich lebenslänglich statt Doppelherz lebenslänglich Elvis verschrieben hat. Reinhard Lüke
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