: Nicht so ernst
■ Tim Fischer gastiert mit seinem neuen Programm im Schmidt
Würde man es nicht besser wissen, man könnte Tim Fischer auf den ersten Blick ohne weiteres für eine Frau halten. Oder für ein Mädchen. Schmächtig, mit schulterlangen gebleichten Haaren und im Pailetten-Kostüm kommt er auf die Bühne des Schmidt und beginnt Chansons zu singen. Oder zu schmettern. Die Stimme ist dann erst mal gar nicht weiblich, sondern tief und markant, und seine harte Mimik, die Art, wie er den Mund verzieht, sie steht im Kontrast zu seiner femininen Erscheinung.
Kontrastreich ist allerdings nicht nur Tim Fischer selbst, sondern sein ganzer neuer Abend, betitelt World on Fire. Mal singt er über Liebe aus der Sicht einer Frau, mal aus der eines Mannes, mal ist die Liebe gut zu ihm, und manchmal scheint sie ihn ins Verderben zu stürzen. Er räkelt sich lasziv auf dem Flügel, gibt sich pathetisch oder betont männlich, und all das wechselt so schnell, dass man häufig ein bisschen verwirrt zurückgelassen wird. Aber: That's eben Entertainment.
An Tim Fischer muss man sich erst mal gewöhnen. In die eigene Wohnung lassen würde man ihn bestimmt, er sieht ja sehr nett aus und gar nicht gefährlich. Allerdings ist er nicht unbedingt einer, den man sofort ins Herz schließen würde. Nach einer Weile mag man ihn dann aber doch leiden. Denn Tim Fischer kann nicht nur singen, er kann auch durchaus witzig sein. Gut ist er vor allem dann, wenn er sich selbst nicht ernst nimmt. Wenn er zum Beispiel versucht, den harten Mann zu markieren, dann scheint er das selbst so lustig zu finden, dass er mit seinen Musikern (Thomas Dörschel am Flügel, Hans Jehle an der Geige und Lars Burger am Kontrabass) einen kurzen Moment lang zusammen lacht. Die grinsen sowieso häufig, aber immer wohlwollend, amüsiert, nicht belustigt. Das gibt einem als Zuschauer das Gefühl: Das ist alles nicht so ernst, wie es stellenweise scheint. Wobei das oft auch ganz offensichtlich ist: „Wenn ich wie der fette Elvis bin, werdet ihr dann noch zu mir stehen?“ fragt er seine Besucher. Ihre Begeisterung lässt erahnen, dass sie das wohl tun werden.
Meike Fries
noch bis zum 7. September, 20 Uhr, sonntags um 19 Uhr
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