: „Späte Anerkennung des Leids“
Regenbogen-Fraktion beantragt in der heutigen Bürgerschaftssitzung großzügigere Entschädigung für ZwangsarbeiterInnen ■ Von Elke Spanner
Beschämend findet Gisela Wiese die Diskussion über die Entschädigung von NS-ZwangsarbeiterInnen, wie sie mehr als 50 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges derzeit auf Bundesebene läuft. Den Antrag zu einer eigenen Hamburger Regelung, den die Regenbogen-Gruppe soeben vorgestellt hat, findet die Vizepräsidentin von „Pax Christi“ dagegen einen richtigen und wichtigen Schritt. Der Senat hätte nun die Chance, ein Zeichen zu setzen, sagt sie. Ob sie daran glaubt? Wiese zuckt die Schultern.
Am heutigen Anti-Kriegs-Tag wird der Regenbogen-Antrag auf der Tagesordnung der Bürgerschaft stehen. Durch ihn soll der Kreis derer, die durch die „Hamburger Stiftung für NS-Verfolgte“ entschädigt werden können, ausgeweitet werden. Geld können damalige ZwangsarbeiterInnen und Lagerinsassen nach einer „Härtefallregelung“ bekommen: Wenn sie als bedürftig gelten, das heisst unter der Armutsgrenze leben – und dann werden die Entschädigungszahlungen auch noch auf die Sozialhilfe angerechnet. Und wenn sie heute im Stadtgebiet Hamburgs wohnen.
Vor allem diese Bedingung, so Stefan Romey von der Stiftung, schließt einen Großteil derer, die unter dem NS-Regime litten, von jeglicher Entschädigung aus. Die Regenbogen-Gruppe will deshalb die Härtefallregelung ausweiten auf die ZwangsarbeiterInnen, die damals für Hamburger Firmen schuften mussten und heute anderswo leben – vor allem in Osteuropa. Die aus Polen oder Russland in die Hansestadt verbracht wurden, hätten unter den schlimmsten Bediungen hier leben müssen, so Romey. Fielen unter die Härtefallklausel auch OsteuropäerInnen, die damals im KZ waren, hätten rund 100 bis 150 Leute einen Anspruch auf Entschädigung. Mit rund einer Million Mark, hat Romey errechnet, könne die Stadt das erbringen, was die Regenbogen-Gruppe im Antrag als „späte Anerkennung des Leids“ beschreibt. Nach dem Willen von Regenbogen soll der Senat zudem an die Firmen herantreten, die während des Krieges ZwangsarbeiterInnen ausbeuteten: „Blohm und Voss“ zum Beispiel oder „Philips-Valvo“, „Prien“ sowie „Wayss und Freytag“. Sie sollen in die ebenfalls auf Bundesebene initiierte Unternehmensstiftung einzahlen.
In Hamburg wurden unter dem Naziregime ZwangsarbeiterInnen in den KZ-Außenlagern sowie zur Trümmerbeseitigung, Leichenbergung und in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Die Bauverwaltung verteilte sie auf Firmen, diese beteiligten sich dafür an den Lagerkosten. Der Historiker Hermann Kaienburg schätzt, dass mehrere Hunderttausend Menschen in Hamburg Zwangsarbeit leisten mussten. Seit 10 Jahren entschädigt die „Stiftung für NS-Verfolgte“. 1300 Menschen haben bisher Geld bekommen.
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