Nichtendes Nichts

Nichts ist bekanntlich beunruhigender als das Nichts – glaubt man zumindest Lutger Lütkehaus, seines Zeichens Philosophieprofessor in Freiburg im Breisgau. Das arme, kleine Nichts: Für vieles musste es herhalten, dieser MacGuffin manch räsonierender und philosophierender Tradition, zugleich alles zu sein und doch eben mit nichts zu vergleichen, Anfang und Ende alles Denkens, Seins und Seienden sowieso. Das redaktionseigene Zitatlexikon definiert dieses Ding, das doch kein Ding sein will, als „Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt“. Doch der Autor dieser Zeilen ist „anonym“ – wie verhext vom Nichts verschlungen.

Ob Lutger Lütkehaus an solcherlei Kalauern Interesse hat, wissen wir natürlich nicht. Liest man allerdings das Inhaltsverzeichnis seines neuen Buches Nichts. Abschied von Sein. Ende der Angst, bekommt man den Eindruck, da witzelt sich einer nihilistisch durch die Philosophiegeschichte. In Anlehnung an Heidegger spricht Lütkehaus von der „Nichtsvergessenheit“ als abendländischer Krankheit, die es zuvorderst zu heilen gelte, macht das „Prinzip Nichts“ gegen Ernst Bloch stark und titelt „Pathodizee des Kerkers“ oder „Von der Ontologie zur Ontoerotik: Die Frau als Nichts und Loch“.

All dafür steht nicht Oswald Spengler, sondern Schopenhauer Pate, der für den jungen Lutger ausgesprochen hat, „was das Leben ist“, und dessen Schriften er nach den Fassungen letzter Hand editierte. Liest man seine populärer gehaltenen „endzeitlichen Essays“ im Feuilleton, riecht das allerdings nach einer konservativ gesättigten Kulturkritik, die die Nichtigkeit des Grundes aller menschlich-prometheischen Projekte gegen ihre vermeintliche Verdrängung durch die „Zu-vieli-sation“ einklagt. Und schuld sind am Ende natürlich wieder die seinsverliebten Medien: Philosophie des Elends – Elend der Philosophie heißt übrigens eine Textsammlung, in der Lütkehaus vertreten ist. Tobias Nagl

Lutger Lütkehaus zum Thema „Nichts“, Philosophisches Café, Literaturhaus, Schwanenwik 38, heute, 20 Uhr