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Aufwendig erzwungene Magie

Roncalli für Werbeprofis: Jaschi Kleins Foto-Inszenierungen auf k3  ■ Von Hajo Schiff

Anzugträger am Strand eingegraben, Konferenzstühle in Vulkangestein verkeilt, Pferdeschatten unter Telefonmast in Kiesgrube: An den düster-leeren Niemandsorten der Hamburgerin Jaschi Klein zeigen sich Spuren seltsamen Geschehens. Im ebbigen Watt, in Lanzarotes schwarzer Landschaft oder im Rohbaubeton einer Tiefgarage finden sich Dinge, Tiere und Menschen zusammen und bleiben doch meilenweit voneinander getrennt in ihrer nur eigenen Handlungszeit. „Konferenzen“ nennt die Fotokünstlerin ihre strikt schwarz- weißen Großfotos dieser spektakulär und surreal scheiternden Kommunikationskonstellationen.

Doch dieser Surrealismus ist real: Die auf eine Szene verdichteten Filme sind in mühsamer Arbeit vor Ort ohne jede digitale Nachbearbeitung realisiert. „Die Suche nach den archaisch anmutenden Orten ist sehr zeitaufwendig, die Produktion mit allen Requisiten und Darstellern sehr teuer“, betont die Künstlerin, die für ein einziges Bild den Apparat eines kleinen Spielfilms braucht. Da kommt es gelegen, wenn eine Abfallentsorgungsfirma aus dem Ruhrgebiet mit Sponsorengeldern hilft und das Erscheinen von zwölf Bildmotiven in acht Städten auf je 300 Plakatflächen ermöglicht.

Die Kunst der Jaschi Klein steckt allerdings in einem mehrfachen Dilemma. Mit durchaus beachtlichem Aufwand an Material und Menschen inszeniert sie ihre Bilder und wartet darauf, dass in diesem komplizierten Prozess sich über ihren Plan hinaus irgendein Ereignis einstellt, das auf wunderbare Weise zu einem guten Bild führt. Wir aber haben zu Recht verlernt, an Wunder zu glauben, schon gar bei einer Arbeit, die den Strategien der Werbung so nahe ist. Auch ist die Darstellung hoffnungslos gestörter Kommunikation eine kontrafaktische Bildbehauptung, denn die gegebene Qualität der Bilder beweist ja, dass die Kommunikation der dargestellten Gruppe hervorragend funktioniert hat. Sonst gäbe es das Bild mit seinem ausdrücklich vorgetragenen Realitätsbeweis gar nicht.

Gerade das anachronistische Beharren auf der Realerzeugung des Bildes, in der Ausstellung auf k3 belegt durch kleine Backstage-Fotoserien, macht die Metaphern der kommunikationslosen Einsamkeit so unglaubwürdig. Das hier dargestellte Geworfensein in die Welt ist bloß ein existenzialistisches Theater, das vielleicht dem Kommunikationssoziologen als Futter seiner Fallbeispiele dienen kann, aber dem echten Philosophen ein Greuel sein muss.

Weniger moralisierend, mehr kunsttheoretisch ist die Materialfrage zu stellen: Zu ahnen ist ein gewaltiges Missverhältnis von Herstellungsaufwand und inhaltlicher Botschaft. Wer von den zufälligen Betrachtern an der städtischen Bahnsteigkante nimmt denn solchen als große Werbetafeln daher kommenden Bildern noch ab, dass sie nicht am Computer mittels Photoshop-Techniken erzeugt sind? Wer denkt sich denn überhaupt noch etwas dabei, außer vielleicht, dass er das Firmenlogo der Modefirma nicht entdecken kann?

Jaschi Klein aber will von solchen Bedenken nichts wissen. Ihr ist es wichtig, mit anderen Leuten an anderen Orten reale Prozesse zu erleben. Sie beschwört immer wieder, in ihrer Arbeit wie in Gesprächen, die Notwendigkeit, sich von Visionen leiten zu lassen und magische Momente zuzulassen. Doch war es nicht mühsam, das mitgebrachte Schaf auf den einzigen Tisch mitten im Watt zu bekommen? Auch das Kamel kam nicht zufällig zu Besuch zur barfüßigen Managerrunde am Deich, sondern es wurde aus dem in der Nähe gastierenden Zirkus geholt. Aber die Erzwingung von dem, was da dann Magie genannt wird, ist nahe am theatralischen Kitsch: Diese Großplakate sind letztlich nichts als Roncalli für Werbeprofis.

Konferenzen – Inszenierungen und Installationen: k3 auf Kampnagel, Di – Do 18 – 20, Fr + Sa 18 – 22 Uhr, noch bis 9. September; Plakataktion „Poetische Störungen“ in Hamburg, Kiel, Essen, Bochum, Herten, Berlin, Frankfurt, München, bis 3. Januar 2000

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