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WHO fürchtet Epidemiegefahr im Kosovo

■ Die Weltgesundheitsorganisation stellt im Kosovo vermehrt Fälle von Hepatitis, Keuchhusten, aber auch Kinderlähmung fest

Priština (dpa) – Für den kleinen Kosovo-Albaner Muharrem ist das Spielen im Freien nur noch ein Traum. Seit ein paar Monaten kann der Dreijährige keinen Fuß mehr vor den anderen setzen – Verdacht auf Kinderlähmung. Edisona, 22 Monate alt, kann sich nur in ihrem Bett anlehnen und nicht einmal die Finger bewegen. Sie ist der zweite Fall im Krankenhaus in Priština.

Seit Mai macht sie eine Behandlungsodyssee unter ärmlichsten Bedingungen durch. Erst lebte sie als Flüchtlingskind im albanischen Kukes. Als die Vertriebenen der Friedenstruppe KFOR in die Heimat folgten, kam Edisona ins Krankenhaus der Kosovo-Hauptstadt. Die zwei Kleinkinder gehören zu vielen, die im Kosovo nach dem Krieg an gefährlichen, ansteckenden Krankheiten leiden.

„Dem Kosovo droht die Gefahr epidemischer Krankheiten und eine steigende Zahl von Fällen mit infektiösen Erregern“, so die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Experten fordern ein Impfprogramm, um dem zu begegnen. „Impfungen sind umgehend notwendig“, sagt Dr. Hannu Vuori, WHO-Mitarbeiter und eine Art Gesundheitsminister der UN-Mission (Unmik) im Kosovo.

„Kosovo-Albaner leben nun unter freiem Himmel bei schlechten hygienischen Bedingungen. Der Impfgrad ist sehr niedrig, weil in den vergangenen zehn Jahren keine Eltern ihre Kinder zu einem serbischen Arzt geschickt hätten“, sagt Sali Ahmeti, Arzt im Hospital von Priština. Mit dem Beginn von kriegsähnlichen Zuständen 1998 seien Impfungen fast ganz ausgeblieben.

Die letzten großen Impfkampagnen etwa gegen Kinderlähmung gab es in der jugoslawischen Provinz in den Jahren 1996 und 1997. Viele der danach geborenen Kinder seien ohne Impfschutz. In der westlichen Hemisphäre war der letzte Polio-Fall 1991 aufgetreten. In Albanien und im Kosovo waren 1996 mehrere Kinder erkrankt.

Allein in Priština wurden in den vergangenen zehn Tagen 296 Fälle von Hepatitis festgestellt. Die Ärzte im Krankenhaus erwarten für den September noch mehr Erkrankte. 10 bis 20 Lebensmittelvergiftungen würden am Tag gezählt. Dazu kommen Meningitis (Hirnhautentzündung) und Keuchhusten.

Vier Fälle von hämorraghischem Fieber sind nach Angaben der Ärzte bisher registriert. Ein durch Hanta-Viren hervorgerufenes hämorraghisches Fieber wurde bei einer 19-jährigen Frau im Kosovo diagnostiziert, die sich während der Kämpfe monatelang in einem Wald unweit der albanischen Grenze versteckt hatte. Die Krankheit geht mit inneren Blutungen und Nierenversagen einher, ist hochansteckend und kann ohne Behandlung zum Tod führen.

Am Mittwoch begann eine Impfkampagne der WHO in der Stadt Prizren. Die Organisation will sich danach vor allem auf Gebiete mit großen Kriegszerstörungen sowie auf Kinder konzentrieren. „Die Impfung der Bevölkerung wird lange dauern“, sagt ein Arzt. „Wir müssen ganz von vorn anfangen.“

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