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Der Stoff, aus dem moderne Helden sind

■ Der französische Bauernführer und Gewerkschafter José Bové weigert sich, eine Kaution für die Entlassung aus der Haft zu zahlen

Paris(taz) – Ein schnauzbärtiger Schafzüchter aus der Provinz bringt die Regierung in Paris in immer größere Bredouille. Und dies sogar noch aus dem Gefängnis von Montpellier heraus, in dem er seit knapp zwei Wochen sitzt. In der Nacht zu gestern entschied José Bové, daß er hinter Gittern bleiben wird: Er ist nicht bereit, die verlangte Kaution von 105.000 Francs (knapp 32.000 Mark) zu zahlen. „Ein Gewerkschafter zahlt nicht für sein Demonstrationsrecht“, hatte er bereits zuvor angekündigt, während Bauern und städtische Linke vielerorts für seine Freilassung demonstrierten.

Angefangen hatte alles mit einer rabiaten Demonstration der linksalternativen Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne auf einer McDonald's-Baustelle in dem südwestfranzösischen Städtchen Millau. Am 12. August fanden sich dort mehrere Dutzend von Bové angeführte Bauern zum Protest „gegen den Fraß der US-Multis“ und gegen die US-Strafzölle für europäische Landwirtschaftsprodukte ein. Dabei ging das unfertige Dach der Niederlassung zu Bruch, und vier Mitglieder der Confédération Paysanne kamen in Haft.

Der polizeilich gesuchte Bové stellte sich wenige Tage später mit erhobener Faust der Justiz. Damit war ein Held geboren. Denn Bové, der in den Siebzigerjahren gegen die Ausweitung des Militärlagers von Larzac kämpfte und damals vom Städter zum Landkommunarden mutierte, hat einen tadellosen ökobäuerlichen und links-internationalistischen Parcours vorzuweisen. Er protestierte im Pazifik für die Unabhängigkeit Neukaledoniens und gegen die französischen Atomtests. Er zerstörte in Frankreich Felder mit genmanipuliertem Saatgut. Und er gehörte im vergangenen Jahr zu jenen militant, aber immer gewaltfrei auftretenden Leuten, die das MAI, das vor allem von den USA gewünschte Multilaterale Investitionsabkommen, zu Fall brachten.

Seit seiner Weigerung, eine Kaution zu zahlen, ist der Kreis seiner Unterstützer noch größer geworden. Denn hohe Kautionszahlungen haben in Frankreich schon so manche linke Organisation und Gewerkschaft in den Ruin getrieben. Die grüne Europafraktion, ein Sprecher der sozialistennahen französischen „Bürgerbewegung“ und der Chef der ebenfalls regierungsbeteiligten KPF haben bereits Bovés „bedingungslose Freilassung“ verlangt. Jetzt warten viele auf ein klares Wort der Sozialistischen Partei, die in den vergangenen Wochen ebenfalls Sympathie für den aufrechten Kämpen gegen den ruinösen Welthandel signalisiert hat. Vielleicht fällt Justizministerin Guigou ja etwas ein. Dorothea Hahn

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