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Klare Worte bleiben in Warschau wieder einmal aus

■ Bei seinem Besuch in Polen bemüht sich Bundeskanzler Schröder um eine Versöhnung mit dem Nachbarn. Doch die Menschen sind die rhetorischen Verrenkungen leid

Warschau (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder blieb wieder vage: Die Bundesregierung unterstütze zwar den Wunsch Polens nach einem raschen Beitritt zur Europäischen Union. „Wir werden miteinander arbeiten, dass dieses Ziel erreicht werden kann“, sagte der Kanzler. Einen konkreten Beitrittstermin nannte er wieder nicht.

Ohnehin geht es bei dem zweitägigen Kanzlerbesuch in Polen nur am Rande um die Westintegration. Auf dem Programm steht vor allem eins: „Versöhnung“. Schröder besucht ein Konzert in Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und legt in Palmiry bei Warschau einen Kranz nieder. Dort hatte die Gestapo über vier Jahre lang polnische Intellektuelle hingekarrt und erschossen. Nach dem Willen der Nazis sollten die Polen zu einem dumpf dahinvegetierenden Arbeiterheer degradiert werden.

Den Polen ist diese Art von „Versöhung“ inzwischen zu billig: Schöne Worte und Gesten steigern heute nur noch die Verbitterung der Zwangsarbeiter, die noch immer keinen Pfennig Entschädigung gesehen haben. Die „humanitären Hilfen“, die die „Stiftung für Deutsch-Polnische Aussöhnung“ in den letzten Jahren auszahlte, waren peinlich niedrig im Vergleich zu den Summen, die im Westen gezahlt wurden. Den Polen wurde durch diese Art der „Versöhnung“ klar, dass die Deutschen nach wie vor einen Unterschied machen zwischen den Franzosen, deren Geist und Kultur schließlich auch die Nazis nicht anzutasten wagten, und den „slawischen Untermenschen“ im Osten. Von „Versöhnung“ haben die Polen inzwischen genug gehört, sie warten auf Taten.

Zwar hat sich in den letzten zehn Jahren sehr viel zum Positiven verändert zwischen Deutschland und Polen; die Bilanz kann sich durchaus sehen lassen: Deutschland ist Polens wichtigster Handelspartner – der jährlich Umsatz liegt inzwischen bei über 40 Milliarden Mark –, auch die Investoren haben den aufstrebenden Markt entdeckt und nehmen nun mit über 10 Milliarden Mark Direktinvestitionen den Spitzenplatz unter den ausländischen Investoren ein. Positiv zu Buche schlägt auch die militärische Zusammenarbeit – die einstigen Feinde sind heute Partner in der Nato.

Und dennoch: Die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland haben sich merklich abgekühlt. Nach neuesten Umfragen sind die Deutschen für die Polen die unsympathischste Nation unter den Westeuropäern überhaupt. Auch in Deutschland kann nicht von großer Sympathie gegenüber den östlichen Nachbarn gesprochen werden. Das Misstrauen gegenüber dem jeweils anderen sitzt tief und hat sich mit dem Regierungswechsel in Deutschland auf die politische Szene übertragen.

Die Weigerung Schröders, anders als Kohl keinen Termin mehr für einen Beitritt Polens zur EU zu nennen, hat in Polen die Angst vor einer Abkehr Deutschlands von seiner europäischen Politik ausgelöst. Tatsächlich ist das Interesse Deutschlands am Nachbarn Polen deutlich gesunken. Die innere Reform der EU hat für die rot-grüne Koalition Vorrang gegenüber der Osterweiterung. Bei den Beitrittsverhandlungen zur EU ist es ausgerechnet Deutschland, das den „Zustrom billiger Arbeiter aus dem Osten“ und damit die Niederlassungsfreiheit des neuen EU-Mitglieds beschränken möchte.

Für die Polen ist das der Beweis, dass die Deutschen sie noch immer nur als „billige Arbeiter“ wahrnehmen, nicht aber als künftige Manager und Unternehmer auf einem globalen Markt. Im Gegenzug fordert Polen nun eine 18-jährige Übergangszeit für den Grundstücksverkauf an Deutsche.

Sechzig Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs stehen Deutschland und Polen am Scheideweg. Die Versöhnungsrhetorik hat ausgedient, und das Interesse an einer raschen Integration Polens in die EU schwindet. Es fehlt eine gemeinsame Perspektive, der Wunsch nach Freundschaft – wie sie zwischen Deutschen und Franzosen besteht. Gabriele Lesser

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