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Duo mit Drums und Daumen

■ „Rising Stars“ diesmal gut: Das Charlie Hunter Duo überraschte Sonntagabend im KITO durch eine verwegene Instrumentierung

Zuerst suchte man irritiert den Bassisten auf der Bühne: War er hinter einem der schweren Holzbalken des KITO versteckt, oder war er als vorproduziertes Computerprogramm in der Elektronik neben dem Gitarristen Charlie Hunter verborgen? Wenn man links von der Bühne saß, konnte man lange so weiterrätseln; alle, die die Hände von Charlie Hunter sehen konnten, merkten schnell, dass sein Daumen den Bass spielte. Auf der für ihn maßgebastelten acht-saitigen E-Gitarre hatte er drei Bass- und fünf normale Gitarrensaiten gespannt, und so gelang es ihm, im Duo mit dem Schlagzeuger Adam Cuz scheinbar ganz beiläufig wie ein Trio zu klingen.

Auch sonst gehörte die Art, wie die beiden aus minimalistischen Mitteln große Effekte zaubern konnten, zu den Hauptvergnügungen des Auftritts. Cruz wechselte oft von dem kleinen Drumset zu einer Steeldrum, auf dem Höhepunkt dieser Großorchestrierung war tatsächlich jede der vier Hände auf der Bühne mit einem anderen Instrument zugange: Hunter schüttelte eine kleine Rassel und zupfte die Bassline, während Cruz mit einem Schlegel die steeldrum anschlug und mit der anderen bloßen Hand eine Trommel beklopfte.

Endlich gab es in der Konzertreihe „Rising stars“ einmal junge Jazzmusiker aus den USA, die nicht nur neoklassizistisch und sklavisch ihren Vorbildern hinterherspielten. Auch das Charlie Hunter Duo spielte einen melodischen, den tradierten Formen folgenden Jazz, aber in diesem Rahmen experimentieren die beiden so übermütig und verwegen herum, dass auch eine Standardballade wie „The Meaning of the Blues“ bei ihnen wie eine von Ideen funkelnde Tonminiatur wirkt. Natürlich sind die Vorbilder noch zu hören (dem kann heute kein Jazzer mehr entkommen): Hunter phrasiert ein wenig wie Wes Montgomery, Jim Hall und George Benson, während Cruz mit einem subtilen Swing spielte, der an Art Blakey erinnerte. Aber zusammen improvisierten die beiden so melodisch einfallsreich und abenteuerlustig, dass man schnell von der Musik mitgerissen wurde. Ein schönes, amüsantes und extrem spannendes Konzert, zu dem leider nur eine Handvoll Zuhörer kam. Aber zum Glück hat Radio Bremen alles aufgenommen.

Wilfried Hippen

Sendetermin steht noch nicht fest

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