: Ein Fall für amnesty international?
■ Substitution und Spritzentausch im Knast: Heftige Kritik an Ärzteboykott
Schwere Vorwürfe gegen Hamburgs Knast-ÄrztInnen im Gesundheits- und Rechtsausschuß der Bürgerschaft am Donnerstag abend: Die Gefängnismediziner würden, so die Kritik, jede vernünftige Methadon-Substitution für Drogenabhängige torpedieren. Peter Zamory, Arzt, GALier und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses: „Das ist mindestens ein Kunstfehler, wenn nicht sogar eine Mißhandlung.“
Stunden zuvor hatte Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem auf einer Pressekonferenz erklärt, an den Substitutions- und Spritzentauschprogrammen seiner VorgängerInnen Lore-Maria Peschel-Gutzeit („Ich bin am Knastapparat gescheitert“) und Klaus Hardraht („Die Ärzte haben einfach ,nein' gesagt“) festzuhalten. Doch die Ärzte „sind nicht so positiv eingestellt, wie es wünschenswert wäre“, räumte der Senator vor dem Ausschuß ein. Die Anstaltsmediziner hätten eine eigene Vorstellung von „weichem Entzug“: Nulldosierung plus starke Beruhigungsmittel. Eine nicht ungefährliche Behandlung: Nach einer Statistik des Untersuchungsgefängnis-Chef (UG) Robert Mündelein kam es 1994 dabei zu 144 Fesselungen, weil die Abhängigen während des Entzugs ausflippten. Auch die von Ex-Senator Hardraht eingesetzte Drogen-Experten-Kommission war im März zu dem Schluß gekommen, daß es keine „medizinischen Gründe“ für den Boykott der Knastärzte gebe.
Die Verweigerungshaltung der Anstaltsmediziner hatte Hardraht mit „externen Medizinern“ zu umgehen versucht. Doch vor kurzem monierte der Landesrechnungshof diese Praxis: Wozu würden denn die AnstaltsärztInnen bezahlt? Diese erklärten sich inzwischen bereit, die Methadon-Therapien wieder zu übernehmen – aber nach ihren Vorstellungen. Zamory: „Mir sind diverse Fälle von Unterdosierungen im Untersuchungsgefängnis bekannt. Das hat mit ,weichem Entzug' nichts zu tun.“ Zamorys Patient Ronald D. sei zum Beispiel im UG innerhalb weniger Tage von 14 Milli-Liter auf fünf Milli-Liter herunterdosiert worden. Die Konsequenz: „Es traten natürlich massive Entzugserscheinungen auf.“
In mindestens vier weiteren Fällen wollen Rechtsanwälte von Inhaftierten Strafantrag wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung stellen wollen. Zamorys Appell an Hoffmann-Riem: „Stellen Sie diese Praxis ab. Sonst werden wir die Mißhandlungs-Fälle sammeln und an amnesty international übergeben.“ Kai von Appen
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