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Stein, Schere, Papier

■ Die Sammelausstellung „Vier im Raum“ in der k3 zeigt Hybrides zwischen Objektkunst und Malerei

Aus Altmaterial gemachte Kunst ist nicht so selten, aber Verena Vernunft hat sogar ihre eigenen alten Radierungen zerpflückt und zu neuem Farbpapier geschöpft. Alte Kartonagen und ausgediente Fenster verwendet Sigrun Jakubaschke, und auch die beiden Berliner Künstler, die sich mit den Hamburgerinnen zur Ausstellung Vier im Raum zusammengefunden haben, verwenden Gefundenes, ohne das Recycling dabei ausdrückliches Thema wäre: Bert Düerkop bemalt Fundstücke und Dirk Lumen zeichnet mit Obstkistenholz. Alle sind zugleich Objektebauer und Maler.

Als Flachware erstellt Sigrun Jakubaschke schönfarbige Streifenbilder aus Chinapapier, aber im Zentrum der Halle K3 auf Kampnagel stehen ihre raumfüllenden Geometrien aus Pappe. Sie hat sie den manieristischen Zeichnungen von idealen Körpern und Entwürfen von Kunstkammerdrechseleien nachgebaut, wie sie um 1565 in Nürnberg gemacht wurden. Da sind ohne alle Feierlichkeit in billigem Material hochgestochene mathematische Visionen versammelt: Ein Würfel aus Achtecksternen mit leerer Mitte oder ein Rhomboeder, wie er auf Dürers Stich „Melencholia“ von 1514 auftaucht.

Das Tafelbild bezeichneten die Theoretiker der Renaissance als einen Blick aus dem Fenster. Statt aber so die Zentralperspektive zu verstehen, bietet Sigrun Jakubaschke in ihrer großen Fensterinstallation zahlreiche gesprengte und gebrochene Blickpunkte, eine Interpretation des noch immer verbreiteten historischen Gesichtspunktes für die Jetztzeit.

Geschichtsbezüge haben auch die Steine, deren steinzeitliche Zeichen mit modernen Kritzeleien überlagert sind: Verena Vernunft hat ihre Faszination über Felsbilder vom norditalienischen Monte Bego in Pappmaché gefaßt. Dazu verweisen ihre Bilder und Stelen durchs Material auf persönliche Geschichte, in der aufgeritzten Zeichnung auf antike und mittelalterliche Formen.

Die zeitlose Erzählung entspricht mehr der Haltung Bert Düerkopps. Seine auf kopfhohen Metalltischen herausgehobenen Fundstückstilleben, die im Durch- und Umschreiten Zugang gewähren, sind schon durch Titel wie „Ligurische Nacht“ eher poetische Stücke. Nennt er jedoch eine Bildreihe „Leningrad Cowboys“, meint er weniger die Musikgruppe, als das Prinzip der Zusammenführung von Disparatem. Gegeneinandergesetzte Flächen erobern den Farb-raum, wobei die Linien die Wege zu bildnerischen Figurationen sind.

Wege durchziehen auch die Malerei von Dirk Lumen. Wegebilder, die eine imaginäre Landkarte ergeben, die dann auch wieder als Gesicht zu lesen ist. Nur aus Linien sind seine metergroßen Holzzeichnungen, kleinteilig aus Sperrholzstückchen entwickelte Formallegorien, die überleimt und einfarbig eingetönt wie große Spinnennetze eines Sinnfängers vor der Wand hängen.  Eine sehr schöne und gut in den Raum eingepaßte Ausstellung. Hajo Schiff

Kampnagel, k3, Di-So 16-20 Uhr, bis 22. Dezember

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