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Mann mit der Nase

■ Eine Filmreihe im Metropolis erinnert an den „deutschen Chaplin“ Siegfried Arno

Verehrt, vertrieben, vergessen – dieses allzu typische Emigrantenschicksal erlebte auch der in der Hamburger Brüderstraße geborene Schauspieler Siegfried Arno. In den 20er und 30er Jahren wurde er als der „deutsche Chaplin“ gefeiert (weshalb nicht ganz unprekär ist, daß der wahre Chaplin ihn später in Der große Diktator als verrückten Erfinder aus dem Fenster springen ließ: Wollte er einen Konkurrenten symbolisch aus dem Weg schaffen?). 1933 mußte Arno vor den Nazis fliehen. Als Nebendarsteller vom Dienst konnte er zwar in Hollywood Fuß fassen, seine Karriere in Deutschland aber war beendet – endgültig: Auch in der späteren Bundesrepublik hat es nur noch zu einigen revueähnlichen Auftritten und kurzer Aufmerksamkeit bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gereicht. So daß auch dieser Lebensweg sein Teil zur Beantwortung der Frage beiträgt, weshalb die intelligente deutsche Kinounterhaltung nach 1933 ausdünnte und auch nach 1945 nicht wieder lustiger werden wollte, während in Hollywood plötzlich die komischen Talente aus dem Boden sprossen: Das hat sehr viel mit der schlichten Tatsache der Vertreibung zu tun.

Am 27. Dezember dieses Jahres wäre Siegfried Arno 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß erinnert eine Filmreihe im Metropolis an den langen Schauspieler mit der noch längeren Nase, der das Vorbild abgab für den Gassenhauer Was kann Sigismund dafür, daß er so schön ist? Heute abend geht es los mit der überdrehten Groteske Keine Feier ohne Meyer (1931), acht weitere Filme folgen bis zum Jahresende. drk

Termine siehe Kinoprogramm.

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