: Abfall – Möbel – Kunst
Josef Greiners Thron ist Möbelstück und Kunstobjekt. Der Koloss aus Metall und Holz ist derzeit in der „Recycel-Bar“ ausgestellt ■ Von Jochen Brandt
In Zarrentin haben sie einen Friedhof planiert. „Die Bagger standen noch da“, erzählt Josef Greiner. „Und die gusseisernen Kreuze lagen herum. Da habe ich eins mitgenommen.“ Der Mann mit dem wirren schwarzen Haar überlegt einen Augenblick. „Ich bin eigentlich ständig auf der Suche“, sagt er dann. „Aber ich nehme nicht alles. Nur die Sachen mit Seele.“
Josef Greiner ist beides: Künstler und Handwerker. Aus Abfall macht er Möbel, und seine Möbel sind Kunst. Noch bis zum 4. November ist eines seiner Exponate in der Recycel-Bar des Nutzmüll e.V. in Bahrenfeld zu sehen. Der Verein setzt sich seit 13 Jahren für die Wiederverwendung von Abfall in Hamburg ein.
Ein mächtiger Thron steht an der Wand. Mannshoch ist der Koloss aus Metall und Holz. Türklinken ragen an der Seite hervor, die Rü-ckenlehne ist ein altes Backbrett, und vorne finden sich Teile des gusseisernen Kreuzes aus Zarrentin. Wie auch die anderen Objekte von Greiner ist der Thron ein Schrein. Der 38-Jährige bezeichnet sich selbst als Schreinbauer. „Schrein kommt von Schreiner“, weiss der Künstler. Und diesen Beruf habe er schließlich in München gelernt.
„Wir sind Nachbarn. Josef hat seine Galerie und seine Werkstatt gleich hier um die Ecke“, lacht Dr. Karl Klöckner von Nutzmüll. „Da lag eine Ausstellung nahe.“ Aber auch sonst macht Greiners Thron in der Recycel-Bar Sinn. Denn die Bar ist nicht nur Café. Gleichzeitig dient sie als Ausstellungsraum. „Unsere Mitarbeiter bringen gespendete Möbel wieder in Schuss“, erklärt Klöckner. „Anschließend werden sie dann verkauft.“ Greiners Grundidee ist dieselbe. Nur geht er einen Schritt weiter. Seine Möbel sollen nicht nur funktionieren. Sie sind auch Kunstobjekt.
Seit zwei Jahren betreibt Nutzmüll die Recycel-Bar, „Hamburgs erstes Recycling-Kaufhaus mit integriertem Café“. „Alles hier ist zum Verkauf“, sagt Klöckner und sieht sich in der 300 Quadratmeter großen Halle um. „Weil wir gefördert werden, sind wir darauf zwar nicht unbedingt angewiesen. Aber rund ein Viertel der Kosten der Recycel-Bar erwirtschaften wir selbst“, erklärt er stolz.
„Im Schnitt werden zwei Drittel der Leute, die bei Nützmüll gearbeitet haben, anschließend vermittelt“, freut sich Klöckner über die gute Quote. 105 Langzeitarbeitslose sind zur Zeit bei dem Verein beschäftigt. „In unseren Werkstätten werden sie auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet“, erklärt Klöckner. Unter anderem gibt es eine moderne Tischlerei und eine Fahrradwerkstatt. Techniker reparieren alte Schreib- und Nähmaschinen, die nach Gambia geschickt werden sollen.
Momentan steht der Verein ein wenig unter Druck. „Wir haben ein Platzproblem“, klagt Carsten Schmidtpott von Nutzmüll. „Zum Monatsende muss der Verein eine Halle räumen, weil der Mietvertrag gekündigt wurde.“ Dabei sind die rund 250 Quadratmeter vollgestopft mit Möbeln und Fahrrädern. „Wir machen in den nächsten Wochen einen Räumungsverkauf“, kündigt Schmidtpott schon mal an.
„Josef macht das, wozu uns keine Zeit bleibt“, überlegt Klöckner. „Er veredelt den Müll zu Kunst.“ Der Schreinbauer lacht: „Setz dich mal drauf. Erst dann wird der Stuhl zum Thron.“
Josef Greiners Galerie ist im Bahrenfelder Kirchenweg 29, Anmeldung unter: 89 49 77. Seine Ausstellung in der Recycel-Bar, Mendelssohnstraße 13, läuft noch bis zum 4. November. Die Bar ist von Montag bis Mittwoch von 9 bis 17 Uhr, am Donnerstag von 9 bis 19 Uhr und am Freitag von 9 bis 15 Uhr geöffnet.
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