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Bremen bald im Schuldenturm gefangen

■ Finanzressort will Etatlücken bis 2005 mit Vermögensveräußerungen decken / Vertrauliches Papier belegt: 1,2 Milliarden Mark jährliches Defizit sind am Ende der Sanierung eingeplant

In den kommenden Wochen müssen Senat und Parlament den Haushalt für das Jahr 2000 beschließen und gleichzeitig in der mittelfristigen Finanzplanung skizzieren, wie in den letzten Sanierungsjahren bis 2005 die Staatsfinanzen in Ordnung kommen sollen. Dafür gibt es jetzt einen ersten vertraulichen Beratungsentwurf, der der taz vorliegt. Erste Überraschung: Während bisher alle Planungen davon ausgingen, dass nach 2003 nur noch die letzten Raten der Sanierungshilfe vom Bund zur Deckung des Haushaltsdefizites benötigt würden, werden nun weitere Vermögensveräußerungen für unabdingbar gehalten.

Doch noch gibt es dafür keine offizielle Liste. Aber nach Lage der Dinge wird es sich dabei um den Verkauf der restlichen Anteile an Bremischer und Gewoba handeln müssen, also um den Rest des bremischen Tafelsilbers. Größere Summen sind mit anderen Beteiligungen nicht zu erzielen. Von 1996 bis 1998 sind übrigens aus den Vermögensveräußerungen insgesamt 655 Millionen Mark in den laufenden Haushalt geflossen, wie ein aktueller Rückblick des Senats ausweist. Für das Jahr 2005 sind derzeit 92 Millionen Mark Einnahmen aus Veräußerungen eingeplant.

Die Sanierungshilfen des Bundes, die 1999 noch 1,8 Milliarden Mark betragen, werden bis zum Jahre 2004 schrittweise auf 700 Millionen Mark absinken und fehlen dann im Jahre 2005 ganz. In der Finanzplanung ist für dieses erste Jahr nach Ende der Sanierung dann trotz der Vermögensveräußerungen ein Haushaltsdefizit von 1,1 Milliarden Mark eingeplant. Diese Planungen gehen allerdings davon aus, dass die Gesamtausgaben trotz steigender Personalkosten bis dahin konstant bleiben (7,9 Milliarden Mark) und dass gleichzeitig die Einnahmen Bremens, die seit 1994 praktisch konstant 5,5 Milliarden Mark im Jahr betragen, künftig um insgesamt 20 Prozent auf 6,7 Milliarden Mark steigen.

Von großen Steigerungsraten war auch das erste Sanierungsprogramm ausgegangen. Damals waren noch für den Fortgang des Sanierungsprozesses Effekte des großen „Investitions-Sonder-Programms“ (ISP) in Aussicht gestellt worden. Modellrechnungen über die steuerlichen Effekte von zusätzlichen 40.000 Arbeitsplätzen und 50.000 zusätzlichen Einwohnern waren im Finanzressort erarbeitet und veröffentlicht worden.

Das Stadtplanungs-Konzept des Bausenators hatte daher eine „status-quo“ Variante vorgesehen und eine zweite Variante für den Fall, dass Bremen wachsen sollte.

Mit der Finanzplanung bis zum Jahre 2005 nimmt der Senat nun erstmals ganz offiziell Abschied von diesen Hoffnungen: Keine zusätzlichen Arbeitsplätze werden erwartet, keine zusätzlichen Steuereinnahmen. Die Stadtplanung soll auch keine Vorsorge mehr für zusätzliche Einwohner treffen. Dies ist in einem verschrobenen Satz verpackt, in dem mitgeteilt wird, dass „eine wissenschaftlich fundierte Quantifizierung der erwarteten ISP-Effekte (...) nicht zur Verfügung steht“. Bisher war der Senat ohne „wissenschaftlich fundierte Quantifizierung“ schlicht davon ausgegangen, dass es erhebliche und für die Sanierung relevante ISP-Effekte geben würde. Damit soll nun Schluss sein: „Auf Einnahme- wie Ausgabeseite“ soll fortan von einer „Konstanz der aktuellen Bevölkerungszahl“ ausgegangen werden, „keine Einwohner-abhängigen steuerlichen Mehreinnahmen und Mehrbedarfe für versorgende Maßnahmen“ sind einge-plant.

Da die Personalkosten Jahr für Jahr steigen, sollen die Ausgaben insgesamt konstant bleiben und die sonstigen Ausgaben Jahr für Jahr reduziert werden. Solche Planungen sind auch bisher oft nicht aufgegangen und wurden schließlich durch Vermögensveräußerungen gedeckt. In den letzten Jahren des Sanierungsprogramms will der Senat dieses Instrument verfeinern: „Zur Erleichterung der Budget-Einhaltung besteht für die Ressorts im übrigen die Möglichkeit, aus der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden ihres Bestandes erzielbare Erlöse der Etatverstärkung zufließen zu lassen“, so die Vorbemerkungen zum Finanzplan. K.W.

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