Index von Hering in Aspik

■  Morgens ist der Mensch verquollen, mufflig und verkatert. Für einen Quotenerfolg der neuen „MorningShow“ braucht es also eine stabile Zielgruppe (werktags, 6.30 Uhr, Pro 7)

Leute, die „TV Total“ und „RTL Samstag Nacht“ mögen, könnten auch die „MorningShow“ goutieren lernen

Cleverness, dein Name sei Pro 7. Wie die Quotendiskussion einfach Teil eines Programms werden kann, zeigt uns der Münchner Yuppie-Sender in seinem neuesten Streich, der die in Scharen davonzappenden Zuschauer und die bei pupsigen 86 Mark zappelnde Aktie eines Besseren belehren soll. Seit einer Woche sendet die „MorningShow“ live aus einem echten Café in Berlin-Mitte.

Jeden Morgen, wenn ARD und ZDF das Sparpaket diskutieren, und bei Sat.1 kräftig Boulevard zum Frühstück serviert wird, schaukelt nun also der 28jährige Moderator Steffen Hallaschka die kleinteilige Sendung zwischen Harald-Schmidt-Show-Abklatsch, Ausschnitten aus der Pro 7-Comedy „Bully Parade“ und mehr oder minder gelungenen eigenen Ideen ins Ziel. Das Ziel sei, so salbadert der verdammt ausgeschlafene und sympathische Moderator dabei täglich mehrmals, mindestens 50.000 Sat.1-Zuschauer zum Switchen zu überreden. Als sanftes Druckmittel habe man den Sat.1-Frühstücksfernsehen-Hund „Helga“ entführt, und der schläfrige Mops schlabbert sich denn auch neben Hallaschka und seinen Kollegen, Arzu Bazram und den Außenreportern Ken Jebsen und Wigald Boning, durch die anderthalbstündige Liveshow.

So charmant wurde das traurige Quotenthema („wir sind nur ein klitzekleiner Sender und eine ganz junge Sendung“, so Hallaschka, „und wir brauchen Ihre Unterstützung“) noch nie thematisiert. Aber: falls nach drei Monaten quotenmäßig nicht Nägel mit Köpfen gemacht worden sind, heißt es Kopf ab für die Show. Da macht der Sender keine Kompromisse, zu schlecht waren die Zahlen für die letzten Eigenproduktionen „Jets“, „Mallorca“ und was da sonst noch unbemerkt vor sich hingesendet wird.

Ob Pro 7, die von ihrem postulierten Infotainment-Nachrichten-Schwerpunkt nichts mehr wissen wollen, damit geholfen wird? Schauen wir uns doch mal die Zielgruppe an: jung ist sie, steht auf massenkompatible Comedy und früh auf, und hat kein größeres Interesse am Geschehen im Rest unserer kleinen Welt. Leute, die sich über „TV Total“, derzeit erfolgreichstes Comedy-Format von Pro 7, beömmeln und „RTL Samstag Nacht“ mochten, könnten auch die MorningShow goutieren lernen. Schließlich ist es nicht ganz einfach, morgens (muffelig, verquollen, verkatert, eilig) über Wigald Bonings „Mode am Morgen“-Einspieler zu kichern, in dem der kleine Mann seine ewiggleiche Nummer mit der Bazi-Verarsche bringt. Und Ken Jebsens Passantenbelästigungen sind in ihrer Massivität auch nur schwer erträglich.

Deshalb hat sich die „MorningShow“-Produktionsfirma „Reich und Glücklich“ noch etwas ausgedacht, damit zumindest 50 Prozent der angestrebten Zielgruppe auch wirklich zuschauen: die „gutaussehende und wache“ (Hallaschka) Arzu Bazram. Das ist eine ehemalige Arzthelferin, und die kann, wie der Moderator damit auch schon (vielleicht) unfreiwillig treffend bemerkte, nichts außer permanent lächeln. Und das wiederum könnte einer Menge der potentiellen Zuschauer gut gefallen – Maren Giltzer in cool, eben was fürs Auge. Was sollte eine Frau in einer Comedy-Sendung auch sonst tun? Sehen Sie.

Weil sich Pro 7 aber doch schämen würde, die Lage der Nation so komplett zu ignorieren, gibt es denn doch halbstündlich kurze Nachrichten aus dem hübsch anzusehenden Café. Das Layout der Sendung ist ohnehin sehr gut gelungen, und es ist ja auch durchaus nicht so, dass man überhaupt nicht lachen könnte: Wenn Wigald Boning eine Börsenschalte aus einer Art Supermarkt-Obergeschoss nachstellt, und am Bildrand gefakte Börsendaten „Tamarindenextrakt 2,97 DM (+ 34867 EUR), Hering in Aspik 65 DM“ vorbeiflimmern, ist das bestimmt ein Highlight beim müden morgendlichen Herumzappen. Diese raren, guten Gags zusammen mit der niedlichen, dämlichen Arzu und dem souveränen Steffen Hallaschka sprechen vielleicht wirklich eine Zielgruppe an. Ob die groß und registrierbar genug ist, um dem nach drei Monaten drohenden Aus entgegenzuwirken, wird sich zeigen.

Am wenigsten Angst vor einem etwaigen Scheitern muss jedenfalls Hallaschka haben. Jeder Sender mit Verstand müsste den Mann engagieren wollen – denn der Ex-„100 Grad“-Moderator ist der Hauptgrund dafür, dass die „MorningShow“ doch nicht so nervt, wie sie eigentlich müsste. Allerdings haben Witzbolde und Comedy-Moderatoren wie guter, heißer Morgenkaffee meistens eine kurze Halbwertzeit. Jenni Zylka