: Mittelstandsmann mit schmierigem Lächeln
Mensch, Marlene, es scheint mir, du hättest dich nicht richtig auf den Film eingelassen. Gerade bei diesem Film ist es wichtig, dass man nicht die „erotischsten Bilder aller Zeiten“ erwartet. Das hat Kubrick auch nie behauptet. Man muss bei „Eyes Wide Shut“ mit seinen Sehgewohnheiten brechen. 90 Minuten, Exposition – Klimax – Dénoument, keine Szene länger als fünf Minuten – das ist hier alles anders. Kubrick verwendet seine eigene Ästhetik. Dazu gehört der Umgang mit Spannung, Licht, den Schauspielern, Struktur etc.
Das sind künstlerische Aspekte, welche bei dir nicht beleuchtet werden. Zum Beispiel das Licht. Immer wieder das weiche, geborgene Braun-Rot im Innern und das harte, gefährliche Neon-Blau im Äußeren. Wenn er nach der Nacht im Schloss nach Hause kommt, ist das Licht genau umgekehrt. Oder die Ballszene am Anfang. Sehr grell ausgeleuchtet und fotografiert, es wirkt fast plastisch, unecht. Es geht in EWS weder um Erotik noch um eine Orgie im Film noch um einen alten Mann, der in seinem letzten Film alles erzählen will. Es geht um gesellschaftliche Abgründe. Vielleicht. Doch es geht mehr um den Mittelstandsmann, der immer ein schmieriges Lächeln auf den Lippen hat, welches ihm am Ende im Halse stecken bleibt. Er glaubt, er könnte alles machen mit seinem Geld und seinem Charme. Und seine Frau ist die Mittelstandsfrau. Doch sie scheint Abgründe zu haben, wenn sich während „der“ Szene vor dem Spiegel ihre Blicke von ihm abwenden. Ich als junger Mittelstandsmann kann nur sagen, dass Kubrick mit Cruise/Kidman eine brilliante Wahl getroffen hat. Film wird zu Realität und Realität zu Film. Dirk Schwantes, Bochum
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