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UN: Umweltkatastrophe im Kosovo blieb aus

Allerdings sei an einigen Brennpunkten rasches Handeln nötig, um Schlimmeres zu verhüten, so die UN  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Seit die Nato während des Kosovo-Krieges in der Nacht vom 18. April eine große Ölraffinerie in Pancevo im Norden von Belgrad bombardierte, wird über die Ausmaße der Umweltschäden spekuliert. Zumal dies nur der Auftakt für eine Reihe von Zerstörungen von Chemiefabriken war – am Ende wurden nach Schätzungen von Umweltschützern über 80 Werke getroffen. Spätestens als am 3. Mai nach der serbischen Regierung auch der russische General Leonid Iwaschow von einer „ökologischen Katastrophe“ sprach, wurde das Thema zu einem zentralen Argument in der Debatte um den Kosovo-Krieg. Noch vor einem Monat hatte die Menschenrechtsorganisation Focus eine „extreme ökologische Bedrohung für Jugoslawien“ ausgemacht. Schnelle Hilfe sei nötig, um den „möglichen ökologischen Kollaps“ zu verhindern. Doch die Expertenkommission der UN-Umweltbehörde Unep gab am späten Montag nach Abschluss ihrer Inspektionsreisen zu bombardierten Fabriken Entwarnung: von einer „ökologischen Katastrophe“ könne keine Rede sein.

Allerdings lokalisierten die UN-Experten einige Brennpunkte, an denen nun gehandelt werden müsse: Pancevo und Kragujevac. Beide Städte waren mehrfach angegriffen worden. An der zerstörten Raffinerie in Pancevo sei es „dringend nötig, einen zwei Kilometer langen Abschnitt eines schwer verunreinigten Kanals zu reinigen, der direkt in den Fluss Danube mündet“, erklärte am Montag Pekka Haavisto, der Leiter des Balkan-Expertengruppe der Unep. Außerdem empfahl er den jugoslawischen Behörden, „sofort den Giftmüll zu beseitigen, der die Gesundheit der Arbeiter in der Autofabrik in Kragujevac ernsthaft bedroht“. Ihren endgültigen Bericht will die Unep Ende September veröffentlichen.

Auch der Umweltverband WWF trat gestern den ersten Befürchtungen einer ökologischen Katastrophe in Jugoslawien entgegen. Bislang seien die Umweltschäden lokal begrenzt. Dennoch fanden die WWF-Experten „beträchtliche Mengen“ an Quecksilber, Aromaten und Dioxinen an den von ihnen untersuchten Fabriken in Pancevo und Novi Sad. Die Giftstoffe gefährdeten nun vor allem das Trinkwasser und die Donau, weshalb auch Anrainer wie Deutschland betroffen wären. WWF-Experte Philip Weller drängte die „internationale Gemeinschaft“, bei der Beseitigung der Schäden zu helfen, um möglichst rasch die Gefährdung einzudämmen. Außerdem kritisierte er das Überwachungsprogramm der Donau-Anrainer, das so mangelhaft sei, dass man die Kriegsfolgen kaum von früheren Verunreinigungen unterscheiden könne.

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