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Endstation, bitte aussteigen! Bahnchef Ludewig abgewickelt

■  Nach nur zwei Jahren Amtszeit schickt Noch-Verkehrsminister Franz Müntefering den umstrittenen Bahnchef Johannes Ludewig und dessen Vorstandskollegen Axel Nawrocki wegen Unfähigkeit in die Wüste

Berlin (taz) – Der umstrittene Chef der Deutschen Bahn AG, Johannes Ludewig (CDU), wird abgelöst. Seine Nachfolge tritt das ehemalige Vorstandsmitglied der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace AG, Hartmut Mehdorn, Anfang nächsten Jahres an. Mit Ludewig verliert auch Axel Nawrocki (CDU) seinen Posten. Er leitete den Bereich Fernverkehr.

Ludewig soll „in den nächsten Tagen“ gehen, hieß es im Verkehrsministerium. Kurz vor seinem eigenen Abgang als Bundesverkehrsminister beseitigt Franz Müntefering damit ein altes Problem. Der Sozialdemokrat, der auf den Stuhl des SPD-Generalsekretärs wechselt, wolle seinen Nachfolger Reinhard Klimmt nicht mit einem ungelösten Personalproblem an der Spitze des bundeseigenen Unternehmens Bahn AG belasten.

Die Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) hat seit geraumer Zeit an Ludewigs Stuhl gesägt. GdED-Chef Norbert Hansen begrüßte gestern den Abgang des Bahnchefs, er hofft nun auf mehr „unternehmerische Kreativität“. Die Gewerkschaft stört vor allem der drastische Personalabbau in dem offiziell privatisierten Unternehmen.

Die CDU-geführte Bundesregierung hatte Ludewig 1997 als Ersatz für Ex-Bahnchef Heinz Dürr auf den Vorstandsposten berufen. Ludewig, ein Vertrauter von Bundeskanzler Kohl, hatte von Verkehrspolitik nicht viel Ahnung. Ihm wurde in den vergangenen Jahren angelastet, keine positive Geschäftsentwicklung bei der Bahn AG in Gang gesetzt zu haben.

1998 sank der Gewinn, und die Umsätze gingen erstmals seit der Umwandlung zur Aktiengesellschaft zurück. Weder beim Fern- noch beim Nah- und Güterverkehr konnte das Unternehmen seine Ziele erreichen. Gegenüber dem Straßenverkehr verlor man sogar Marktanteile. Ähnlich wie sein Vorgänger Dürr stand Johannes Ludewig für die Konzentration auf die teuren Schnellbahntrassen des ICE und parallel dazu für die Vernachlässigung der Züge auf den mittleren und kleineren Strecken. Dort wurden ständig Züge gestrichen, die Umsteigeverbindungen verschlechterten sich.

Hinzu kamen Unfälle und betriebswirtschaftliche Katastrophen, die erheblichen Imageschaden verursachten. Nach dem ICE-Unfall von Eschede mit 101 Toten verzichteten viele Reisende auf eine Bahnfahrt – nicht nur, weil der Fahrplan durch die Überprüfung aller ICEs durcheinander geriet. In Süddeutschland fuhr die Bahn permanent mit Verspätung, weil neue Neigetechnikzüge nicht funktionierten.

Bewertungen wie die der Stiftung Warentest taten ein Übriges. Die KontrolleurInnen untersuchten das komplizierte System für Fahrkarten, Preise und Sonderangebote und kamen zu dem Schluss, dass das Personal an den Bahnschaltern sich selbst damit nicht auskennt.

Im Juli versuchte Ludewig, die Weiche selbst noch umzustellen. Erstmals beerdigte das Unternehmen eine der teuren ICE-Strecken bei Erfurt und erklärte gleich noch die radikale Richtungsänderung. In Zukunft sollten nicht mehr einzelne Renommiertrassen im Vordergrund stehen, sondern das Netz mit seinen Umsteigeverbindungen in den Regionen weit mehr als früher gefördert werden. Der Paradigmenwechsel zu einer anderen Verkehrspolitik kam allerdings zu spät.

Der grüne Verkehrsexperte und Bahn-Aufsichtsrat Albert Schmidt betrachtet den Führungswechsel als Chance. Die Bahn müsse nun in das kürzlich beschlossene Konzept „Netz 21“ investieren und die Magnetschwebebahn Transrapid ad acta legen. Die Grünen halten Ludewig-Nachfolger Mehdorn für eine gute Wahl. Nachfolger von Axel Nawrocki soll Christoph Franz werden. Er ist bei der Bahn bisher für den Bereich Konzernentwicklung zuständig. Hannes Koch

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