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Nur eine halbe Legitimation zum Regieren

betr.: Berichterstattung zu den Wahlen

Alle interpretieren die Wahlen so, als ob die Deutschen im Durchschnitt konservativer geworden wären. Nur ganz klein in einer Ecke des Titelblattes steht, dass nur jeder Zweite zum Beispiel in Düsseldorf zur Wahl ging. Was kann man daraus schließen? Die Medien informieren in diesem Fall nicht richtig und tendieren dazu, der Botschaft der Hälfte des Volkes keinen Wert zu geben. Das kommt natürlich in diesem Fall der CDU zugute, die dadurch eine volle (und nicht eine halbe) Legitimation zum Regieren bekommt.

Wenn in einer echten Demokratie das ganze Volk die Politik bestimmt, dann hat keine der Parteien diese Wahlen gewonnen, sondern die Nichtwähler, eine „Partei“ mit fast 50 Prozent der Stimmen!

Die Menschen fragen sich, was der Unterschied zwischen Schröder und Kohl ist. Die Antwort ist: Es gibt keinen großen Unterschied. Nur dass Schröder mit den Linken gewonnen hat, um sie dann zu zerstören. Unter Kohl haben sich die Linken hingegen gestärkt.

Die Erklärung der Grünen nach der Wahlschlappe ist immer dieselbe: „Wir haben uns nicht gut verkauft“; „Wir haben uns um unsere Stammkundschaft (Kundschaft – interessant, das kommt bestimmt aus dem Marketing-Wörterbuch) nicht genug gekümmert.“ Die Parteien verhalten sich gegenüber den Wählern, als ob sie Kunden wären, die man überzeugen kann, dass alles anders ist, als es aussieht.

Alle sehen aber, was in der Politik passiert. Was sollten die Grünen und die anderen Parteien noch zu verkaufen haben?

Sie alle machen sich keine großen Sorgen, wenn 50 Prozent der Leute nicht wählen gehen. Viel schlimmer wäre für sie eine glaubwürdige alternative Partei mit 50 Prozent der Stimmen!

Davide Brocchi

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