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Toll einkaufen oder mies wohnen?

■ Ein Unternehmer will in der Kreuzberger Ratiborstraße einen Wochenmarkt eröffnen. Doch die Anwohner befürchten mehr Lärm und Müll und fordern eine Grünfläche

„Der Markt für tolles Einkaufen will sich vorstellen“, hieß es auf der Einladung, die die Anwohner der Ratiborstraße in Kreuzberg erreichte. Einen Wochenmarkt auf dem seit 16 Jahren brachliegenden Grundstück Ratiborstraße 14 c will der kurdischstämmige Bauherr Mustafa Burcu errichten. Sein Angebot soll von Obst und Gemüse über Medienerzeugnisse bis hin zu Küchenbedarf reichen. Die Nachbarn allerdings sind von dieser neuen Einkaufsmöglichkeit wenig begeistert.

„Wozu brauchen wir einen Markt?“, fragt eine Anwohnerin. Sie zählt mehrere Supermärkte auf, die sich in der Gegend befinden. Ein Großteil der 40 Mieter, die der Einladung gefolgt sind, fürchten nun, dass durch den Wochenmarkt mit Lärmbelästigung und jeder Menge Müll zu rechnen ist. „Ich habe mir eine Eigentumswohnung gekauft. Können Sie sich vorstellen, wie sie durch den Markt an Wert verliert?“, fragt eine Nachbarin.

Der Projektleiter von Mustafa Burcu, Klaus-Dieter Goers, kann die ganze Aufregung nicht teilen und beschwichtigt: „Wir haben ein Müllkonzept, das eine tägliche Entsorgung vorsieht. Eine Lärmbelästigung wird es auch nicht geben“, bestreitet er. „Das werden wir Ihnen mit einem Gutachen beweisen.“ Ein anderer Mieter wirft ein: „Sie können nicht Ihre Geschäfte auf unsere Kosten machen!“ Das wolle man auch gar nicht, antwortet der Bauherr. Schließlich wolle man doch die Anwohner als neue Kunden gewinnen.

Doch die potentiellen EinkäuferInnen stellen sich quer. „Umfragen haben ergeben, dass 90 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen einen Markt sind. Bei meinen Landsleuten ist es genau umgekehrt“, erklärt der Bauherr. Während eine ältere Dame murmelt: „Er denkt nur an seine Landsleute und nicht an uns“, erklärt ein Mieter, dass man nur Kreuzberger kenne.

Statt eines Marktes fordern die Anwohner eine Grünfläche. Der Bezirksbürgermeister will dasselbe. Das Bauvorhaben sei „nicht rechtlich“, erklärt er und begründet dies mit dem fehlenden Schutz vor Lärm und der fehlenden Möglichkeit des belästigungsfreien Lieferverkehrs. Von Seiten des Projektleiters heißt es, dass seit dem 17. August eine Teilbaugenehmigung für das Grundstück vorliege. Diese sehe die Herstellung von wassergebundenen Flächen für Gehwege, Ergänzung und Ausbesserung der Mauerbereiche und des Zaunes vor. „Wir haben alle Anträge bei den zuständigen Ämtern eingebracht und die Genehmigungen eingeholt“, sagt Goers und beziffert die bisherigen Kosten auf 60.000 bis 70.000 Mark. Für das Gesamtkonzept sind Kosten in der Höhe von 800.000 Mark veranschlagt.

Ein weiterer Streitpunkt mit dem Bezirksamt ist die Altlastensanierung. Das gepachtete Grundstück ist seit 1993 als Altlastenbefund bekannt. Von dieser Tatsache war der Bauherr im Vorfeld nicht informiert worden. Trotz aller Kritik wird das Projekt fortgesetzt.

Maurice Schuhmann

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