Eine Ode an J. M. Keynes

■ Alternative Wirtschaftsweise fordern Beschäftigungspolitik statt Sparbesessenheit

Berlin (taz) – Es gibt doch Alternativen zum Sparpaket, behauptet zumindest die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ in einem Sondermemorandum zur Finanzpolitik der Bundesregierung, das der Bremer Professor Rudolf Hickel gestern vorstellte. „Haushaltskonsolidierung ja, aber nur mittel- und langfristig“, fordern die Wissenschaftler um Hickel, die sich auch als „alternative Wirtschaftsweise“ sehen. Kurzfristig solle die Wirtschaft durch die Stärkung der Massenkaufkraft wachsen. Ganz so, wie es J. M. Keynes geschrieben und Oskar Lafontaine gefordert hatten. Antizyklische Finanz- und eine aktive Beschäftigungspolitik seien wieder notwendig, heißt es in dem Memorandum.

Herbert Ehrenberg, SPD-Arbeitsminister unter Helmut Schmidt, unterstützt solche Appelle an die SPD von heute: Nur staatliche Investitionen schafften Arbeitsplätze – „das hat die Erfahrung doch gezeigt!“, betont Ehrenberg. Die alte Rechnung: Höhere Gewinne führen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Beschäftigung, sei schon unter CSU-Finanzminister Theo Waigel nicht aufgegangen, mahnen die Ökonomen. „1997 lagen die Unternehmenssteuern um 14 Prozent niedriger als 1992, trotzdem gab es 2 Millionen Arbeitslose mehr. Diese Regierung kuscht vor den Wirtschaftsverbänden und macht die gleichen Fehler“, sagte Hickel.

Eichels Argument für seinen Sparkurs, man könne die kommenden Generationen nicht mit dem enormen Schuldenberg belasten, setzt Ehrenberg ein anderes entgegen: Staatliche Investitionen seien ebenfalls im Sinne der zukünftigen Generationen. Der Ex-Minister nennt ein Beispiel: „In jeder deutschen Stadt tickt die Zeitbombe durchrostender Kanalrohre, aber für die Sanierung ist kein Geld da. Was ist den Erwachsenen von morgen lieber: verseuchtes Grundwasser oder weniger Schulden?“ Fatal seien auch Kürzungen beim Bildungsetat: „Eine schlechtere Ausbildung heute bedeutet Wettbewerbsnachteile und weniger Einkommen morgen.“

Das Geld für wachstumsfördernde Investitonen könnte der Staat über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer eintreiben: „Bei einem Freibetrag von einer halben Million Mark und einem Steuersatz von einem Prozent kämen so 37 Milliarden Mark in die öffentlichen Kassen.“

Den Einwand, dass staatliche Zinszahlungen in einer Höhe von täglich 220 Millionen Mark an private Gläubiger, vor allem Banken, fragwürdig seien, hält Ehrenberg für falsch: „Wenn die Regierung keine Kredite aufnehmen würde, müsste sie ihre Investitionen aus Steuergeldern bestreiten.“ Fazit: Beschäftigungspolitik statt sparen schafft Arbeitsplätze – und hilft sparen: 100.000 Arbeitslose weniger entlasten den Staat um vier Milliarden Mark.

Katharina Koufen