: Rosige Zeiten für Atome
■ Bei den Konsensgesprächen geht es nur um die Zukunft der 19 deutschen Atommeiler. Die Urananreicherungsanlage in Gronau steht nicht zur Disposition – sie wird ausgebaut
Udo Buchholz ist neidisch auf die Anti-AKW-Initiative im benachbarten Ahaus. Seit dem großen Transport im vorigen Jahr ist die kleine westfälische Gemeinde mit ihrem Zwischenlager genauso bekannt wie der Endlagerstandort Gorleben. „Doch wer kennt schon Gronau“, meint Buchholz.
Seit 1985 wird in der Atomfabrik im Münsterland direkt an der holländischen Grenze ausschließlich Uranhexaflorid bearbeitet. Zum Verständnis: Für Leichtwasserreaktoren, wie sie in Deutschland überwiegend vorhanden sind, ist Urankonzentrat – Branchenjargon „Yellow Cake“ – nicht zu verwenden. Es enthält das Uran immer noch in fast natürlicher Zusammensetzung, 99,3 Prozent Uran 238 und nur 0,7 Prozent spaltbares Uran 235. Man muss also den Anteil an U 235 in einem speziellen Verfahren künstlich erhöhen („anreichern“), denn Atommeiler brauchen einen Anteil von drei bis fünf Prozent U 235.
Auf chemischem Weg wird das Natur-Uran in Uranhexaflorid (UF6) umgewandelt. Und genau mit diesem Material, das aus dem Ausland nach Gronau gebracht wird, arbeitet die dortige Urananreicherungsanlage (UAA). In riesigen Zylindern, die wie überdimensionierte Wäschetrockner aussehen, packen die Mitarbeiter der Firma Urenco das Uranhexaflorid. Danach steuert sich die Trommel selbst. Mit rasantem Tempo drehen sich die Schleudern, und am Ende entsteht, bedingt durch die Zentrifugalkräfte, der Brennstoff für die Atommeiler mit einem Anteil von durchschnittlich vier Prozent U 235.
„Die Atomausstiegsdebatte hat die Manager der Uranfabrik kalt gelassen“, meint Atomkraftgegner Buchholz. 1998 war ein gutes Geschäftsjahr für die Betreibergesellschaft Urenco, an der neben RWE auch der Stromkonzern PreussenElektra beteiligt ist. Der Umsatz konnte um 15 Prozent auf 247 Millionen Mark gesteigert werden. Unberührt von den rot-grünen Atomausstiegsplänen setzt Urenco auf einen zügigen Ausbau der Produktion. Bisher werden in der Anlage pro Jahr etwa 200 Tonnen Atombrennstoff hergestellt. „Das reicht für acht Reaktoren“, erklärt Buchholz.
Bereits im Herbst 1997 genehmigte das zuständige nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium in Düsseldorf eine Erweiterung der Produktionskapazitäten. Die sogenannte Urantrennarbeit pro Jahr (UTA/a) sollte von 1.000 auf 1.800 erhöht werden. „Wir wollen unsere Kapazitäten kontinuierlich ausbauen“, erklärt Urenco-Sprecher Manfred Krey. In einem nächsten Schritt soll die Anlage nach den Vorstellungen der Betreiber auf 4.000 Tonnen erweitert werden. „Gronau entwickelt sich zu einer Drehscheibe des internationalen Urangeschäfts“, erklärt Buchholz frustriert. Das Natur-Uran kommt überwiegend aus Russland, Afrika oder Kanada. Nach der Verarbeitung gehen die strahlenden Abfälle größtenteils nach Russland, landen in Jekaterinburg, Tomsk und Irkutsk.
„Einige tausend Tonnen sind von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt als strahlende Fracht über die Straßen gerollt“, sagt Buchholz. Beim Gronauer Arbeitskreis Umwelt wundert man sich über die reservierte Haltung der rot-grünen Politiker in Bonn und Düsseldorf. Die Atomfabrik produziere munter drauflos, und trotzdem spiele sie bei den Ausstiegsplänen keine Rolle. Klar ist: Mit ihren Filialen im britischen Capenhurst, im niederländischen Almelo und der Fabrik in Gronau verarbeitet Urenco zur Zeit etwa 3.800 Tonnen Uran – und hat damit einen Weltmarktanteil von zehn Prozent. Die deutschen AKWs zählen nicht zu den Hauptabnehmern, die Masse der strahlenden Spaltstoffe geht ins Ausland. „Unsere Zukunftsmärkte liegen vor allem in Asien“, meint Pressesprecher Krey.
Während sich die nächste Debatte über Restlaufzeiten der deutschen Reaktoren abzeichnet, lachen sich die Urenco-Manager ins Fäustchen. Ihre atomaren Geschäfte laufen ungestört weiter. Udo Buchholz: „Bisher hat kaum jemand registriert, wie wichtig die Gronauer Fabrik für den Nachschub von Uranbrennstoffen ist.“ Michael Franken
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen