: Sozialistisches Ergebnis für Bouteflika
■ Fast 100 Prozent Zustimmung beim Referendum zur Amnestie in Algerien, hohe Wahlbeteiligung. Gestärkter Präsident will Regierung der nationalen Einheit bilden
Algier (taz) – Algerien will den Frieden: Beim Referendum über die nationale Aussöhnung am Donnerstag stimmten 98,63 Prozent der Wähler für das Gesetz über die Eintracht der Bürger. Die Wahlbeteiligung lag mit 85,06 Prozent deutlich höher als bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen April.
Das Gesetz über die Eintracht der Bürger sieht eine Amnestierung all derer vor, die sich zwar bewaffneten islamischen Gruppen angeschlossen haben, aber sich weder eines Massakers noch eines Sprengstoffanschlages oder einer Vergewaltigung schuldig gemacht haben. Die übrigen Kämpfer dürfen mit Strafmilderung rechnen, sofern sie sich bis zum 13. Januar kommenden Jahres, dem Ende des Fastenmonats Ramadan, ergeben. Über 300 bewaffnete Islamisten haben in den letzten Wochen diesen Schritt vollzogen. Die „Bewaffneten Islamistischen Gruppen“ GIA haben sich jedoch gegen die Amnestie ausgesprochen.
Nach über sieben Jahren blutiger Konflikte, die 120.000 Tote forderten, will Bouteflika mit diesen Maßnahmen nun sein Land befrieden. Nur im Frieden könne Algerien einen Weg aus der wirtschaftlichen und sozialen Krise finden, hatte der Präsident während der Kampagne immer wieder betont.
Die Zustimmung für Bouteflikas Politik fiel fast überall im Lande überdeutlich aus. Die stärkste Unterstützung fand sie in den Gebieten, die vom Bürgerkrieg besonders betroffen sind. Nur in der Berberregion Kabylei blieben viele den Urnen fern: In der Provinz Tizi Ouzou wählten nur 38,29 Prozent und in Bejaia 41,05 Prozent der Wahlberechtigten. Die Nein-Stimmen waren hier mit sechs Prozent landesweit am höchsten. Die politische Kultur in der Kabylei ist stark von dem Wunsch nach deutlicher Trennung von Staat und Religion geprägt.
Nun wird erwartet, dass Präsident Bouteflika in den nächsten Tagen eine Regierung der nationalen Einheit ins Leben ruft. Der Regierungschef sowie die wichtigen Minister werden dabei einmal mehr durch die ehemalige Einheitspartei FLN sowie durch deren Abspaltung, die stimmenstarke National-Demokratische Versammlung (RND), gestellt werden. Schon vor dem Referendum hatte die Opposition kritisiert, dass Bouteflika mit der Befragung seine Legitimität erhöhen wollte, mit der es seit den Präsidentschaftswahlen im April nicht gut bestellt war: Kurz vor den Wahlen hatten sich damals alle Mitbewerber aus dem Rennen zurückgezogen.
Neben den gemäßigten Islamisten von MSP-Hamas wird erstmals auch die radikal-säkulare Berberpartei „Versammlung für Kultur und Demokratie“ (RCD) in der Koalition vertreten sein. Parteichef Said Sadi, der in den vergangenen Jahren immer wieder einen harten Kurs gegen die Islamisten forderte, schwenkte während der Kampagne zum Referendum überraschend auf den Kurs des Präsidenten ein, auch wenn dies seine Wähler an den Urnen nicht nachvollziehen wollten.
Die ersten Glückwünsche für den deutlichen Sieg beim Referendum erreichten Bouteflika aus Paris. „Algerien wird jetzt die verlorene Zeit wieder aufholen“, erklärte Außenminister Hubert Védrine. Reiner Wandler
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