Gnadengesuch gegen Apo-Opa Kunzelmann

■ Ein Rentner will Gnade für den Eierwerfer. Doch der will keine Gnade, sondern Recht

Noch weiß der berühmteste Eierwerfer der Republik von nichts. Dieter Kunzelmann, der seit Mitte Juli eine elfmonatige Haftstrafe wegen mehrfachen vorsätzlichen Dotteranschlags auf Berlins Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen absitzt, wird erst morgen über seinen Anwalt von einem Gnadengesuch erfahren, wie die taz schon heute weiß.

Seit einigen Wochen bombardiert ein Rentner, der regelmäßig bei Gerichtsverhandlungen zuhört, die Berliner Justiz mit Anträgen auf ein Gnadengesuch für den Altkommunarden. Der ehemalige Mandatsträger der Alternativen Liste im Berliner Abgeordnetenhaus hatte sich zu seinem sechzigsten Geburtstag Mitte Juli mit großem Tamtam den Behörden gestellt, nachdem er ein Jahr per Haftbefehl gesucht worden war.

Er galt als tot, nachdem in einer Berliner Zeitung Anfang 98 seine Todesanzeige erschienen war. Nach einem Jahr im Ausland war Kunzelmann im Sommer freiwillig zurückgekehrt, um wieder politisch aktiv zu werden.

Den Gang ins Gefängnis trat Kunzelmann als Märtyrer in eigener Sache an. Der pensionierte Antragsteller will ihn trotzdem in Freiheit sehen: „Ich bitte für Herrn Kunzelmann um Gnade und ich hoffe, dass wir ihm nicht seinen Willen raubten, an und mit der Politik zu arbeiten.“ In Zeitungen habe er von einem angeblichen Krebsleiden Kunzelmanns gelesen. Die Eierwürfe lägen lange zurück und hätten aus seiner Sicht niemandem Schaden zugefügt. Das Schreiben ging an die Berliner Justiz, den Bundespräsidenten und den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Der Rentner bombardiert die Behörden regelmäßig mit Anträgen und Eingaben. Die Justizverwaltung bestätigte gestern gegenüber der taz, dass der Antrag auf ein Gnadengesuch für Kunzelmann bearbeitet werde. Jeder kann für jeden ein Gnadengesuch stellen.

Kunzelmann hat aber kein Interesse an einer vorzeitigen Entlassung. Sein Anwalt, Hans-Joachim Ehrig, stellte klar: „So etwas kommt für meinen Mandanten nicht in Frage.“ Die Haftstrafe sei ein „Terrorurteil“ und deshalb gelte: „Kunzelmann will sein Recht, aber keine Gnade.“ Die Vermutung des Antragstellers, Kunzelmann habe Krebs, weist Anwalt Ehrig zurück: „Kunzelmann ist pudelmunter, kerngesund und betreibt seine Knastinspektion.“ B. Bollwahn de Paez Casanova