: Der Hammer vom Hammermörder
■ Schnupper-Schmökern in Deutschlands erster öffentlicher Krimibibliothek im Bremer Steintor. Eingerichtet mit einen roten Sofa und Original-Objekten aus der Kripo-Asservatenkammer
Zum Beispiel Hammermörder. Ein weites Feld. Zu beackern in erster Linie von Kriminalisten. In zweiter Linie aber schon von Krimischreibern. Diese und jene und Barbara Lison, Chefin der Stadtbibliothek, trafen sich gestern in der ehemaligen Zweigstelle der StaBi Bremen Vor dem Steintor 37, um ein klitzekleines Ereignis zu feiern: Hier wird nämlich die erste deutsche Krimibibliothek eingerichtet. Diese besteht aus einem frisch getünchtem Raum, einem roten Sofa, zunächst 2.500 Kriminalromanen sowie Objekten aus der Asservatenkammer der Bremer Kriminalpolizei – zum Beispiel einem einschlägig (!) benutzten Hammer. Zur Stärkung wurde Blutwurst (!) gereicht.
Die Verbandlung zwischen Kriminalen und Krimischreibern in Bremen ist beispiellos und wahrscheinlich sogar beispielhaft. Es wird nämlich zum Jahresende die Bremer Polizei die letzte Handfessel und die letzte Handakte aus dem alten Polizeigebäude am Wall geräumt haben, weil sie in einen Neubau zieht. In die ehrwürdige Immobilie zieht nach dem Umbau rund zwei Jahre später die Stadtbibliothek ein, und es gilt jetzt schon als fast ausgemachte Sache, daß sich im Büro des Polizeipräsidenten Rolf Lüken die Unterabteilung Krimibibliothek festsetzen wird.
Weitere Verquickungen: Polizeipräsident Lüken gesteht öffentlich, im Urlaub Krimis zu lesen. Krimibibliotheks-Initiator Jürgen Alberts, für seinen Hut bekannter Bremer Krimiautor, entwendete bei der Polizei einige Meter rotweißen Flatterbandes mit der Aufschrift „Polizeiabsperrung“. Herr Mordhorst wiederum, über die Stadtgrenzen hinaus bekannter leitender Kriminaldirektor, rückte Fingerabdrücke raus, um die neue Krimibibliothek zu schmücken, und regte anwesende Intellektuelle zu der eigenwilligen Bemerkung an: „Nomen est omen.“
Anfang 2.000 wird die Krimibibliothek der Öffentlichkeit zugänglich sein. Es handelt sich um eine Präsentbibliothek – man kann dort schmökern, forschen und vortragenden Krimidichtern lauschen, aber keine Bücher mitnehmen. Die bisher vorrätigen Bücher entstammen einer Berliner Privatsammlung, die Jürgen Alberts günstig aufkaufen konnte, weil der Eigentümer seine Miete nicht mehr zu zahlen in der Lage war. Man hofft, daß die Bibliothek ab sofort mit sämtlichen Neuerscheinungen von den Verlagen versorgt wird.
Gewiss wird sich gut Krimilesen lassen an diesem mit Postern der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle tapeziertem Ort („Schützen Sie, was Ihnen lieb und teuer ist“ steht über einem Ölschinken mit röhrendem Hirsch). Man könnte einen Krimi von Herrn -ky nehmen und auf dem polizeilichen Porträtstuhl platznehmen; sich neben die Vorrichtung zur Anfertigung von Phantombildern setzen und einen Köln-Krimi von Rüdiger Jungbluth verschlingen; in Reichweite des Hammers Fred Breinersdorfers „Hammermörder“ durchblättern.
Man wird es auch nicht bereuen, in der sehr verdienstvollen „Auswahlbibliothek deutschsprachiger Sekundärliteratur“ zum Thema Krimi gestöbert zu haben (mit dem Hinweis auf Stefan Stremels Artikel „Der Hammermörder als Krimifigur“). Diese Bibliographie hat der Bonner Krimiforscher Thomas Przybilka herausgegeben, der gestern anwesend war und erzählte, daß der älteste deutsche Krimi ca. 1832 entstand; dass der Forschungsstand bei Nachkriegskrimis viel besser als bei älteren Krimis ist; dass es mit dem Schund- und Schmuddelimage des Krimis in Deutschland vorbei sei; dass der Krimi seit 15 Jahren „en vogue“ sei. So boomt etwa das neue Subgenre „Regionalkrimi“ (Bremenkrimi, Eifelkrimi etc.).
Wenn man schließlich rausgeht aus der Krimibibliothek, über und über mit Gruselhaut bedeckt, nimmt man noch ein Motto mit, das ursprünglich für eine Frauen-Krimi-Reihe werben sollte, aber auch Männer ansprechen dürfte: „Lesen statt Putzen!“ BuS
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