: Biokäse im rechtsfreien Raum
Alles „Bio“ oder was? Beim Käse gerät mancher ins Grübeln. Gesetzeslücken und eine großzügige Auslegung des Begriffs „Bio“ in manchen europäischen Nachbarländern täuschen den Esser und verzerren den Wettbewerb. Eine Studie des Lebensmittelkundlers Alexander Beck kritisiert, dass es in der EU noch keine Bestimmungen für die Verarbeitung tierischer Produkte gibt. Die Herstellung von Biokäse finde damit meist im rechtsfreien Raum statt.
Im Sommer nächsten Jahres wird die neue EU-Bioverordnung in Kraft treten. Die Haltungsbedingungen für Tiere im Biobetrieb und ihre Fütterung werden dabei zwar recht großzügig geregelt. Aber nach wie vor gebe es, wie Bioland-Berater Rüdiger Brügmann kritisiert, noch keine Aussagen über die Verarbeitung von tierischen Produkten. Als Konsequenz sind die Bestimmungen von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die deutschen Verbände haben die strengsten Auflagen. Direkte Folge: Deutscher Biokäse ist in der Herstellung sehr viel teurer, die Konkurrenz drückt mit Billigangeboten auf den Markt. Vor allem die Österreicher machen den deutschen Biokäsern derzeit das Leben schwer.
Einer der Streitpunkte ist der Einsatz von chemischen Zusatzstoffen. Wenn an die Kühe Silage verfüttert wird – das ist billiger als die Fütterung mit frischem Gras und Heu –, entstehen im Käse unangenehme Gärprozesse (siehe Interview). Mit dem Einsatz von umstrittenen Zusatzstoffen wie Lysozym oder Nisin lässt sich die Gasbildung chemisch unterdrücken. Auch Nitrat wird gern eingesetzt, um die Reifung des Käses zu optimieren. Nitrat kann sich aber unter Hitzeeinwirkung (Pizza mit Käsekruste) mit den Aminosäuren des Käses zu den krebserregenden Nitrosaminen verbinden.
Deutsche Biobetriebe müssen deshalb auf des „Käsers little helpers“ verzichten und sorgfältig auf Fütterung und Melkhygiene achten, um die Gase produzierenden Bakterien in der Milch klein zu halten. In Dänemark, den Niederlanden und Österreich gibt es solche Vorschriften für die Käseherstellung nicht, die umstrittenen Zusatzstoffe sind erlaubt.
Ähnlich unterschiedlich sind bislang die Vorschriften in der Fütterung. Deutsche Biobetriebe müssen auch biologisch angebautes Futter in die Tröge streuen. Nur in Ausnahmefällen darf ein Anteil von zehn Prozent konventionellem Futter zugesetzt werden. Importfuttermittel aus Entwicklungsländern und Sojafütterung stehen auf der Verbotsliste. In den Niederlanden darf dagegen bis zu vierzig Prozent konventionelles Futter verwendet werden, in Dänemark bis zu 25 Prozent. Die neue EU-Verordnung erlaubt auch Sojafütterung. Dann wird nach Berechnungen von Alexander Beck ein deutscher Hartkäse in der Herstellung um etwa drei bis vier Mark je Kilogramm teurer. Der ahnungslose Kunde entscheide aber, wie Demeter-Sprecherin Renée Herrnkind erklärt, vor allem über den Preis, welches Produkt er kauft. Ihm reiche der Begriff „Bio“, um ein in jeder Hinsicht natürliches Produkts ohne Zusatzstoffe zu kaufen.
man
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen