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Traum vom „europäischen Brückenkopf für Asien“

Am Sonntag beginnen die Asien-Pazfik-Wochen mit dem Schwerpunkt Japan. Kritische Fragen sind rar    ■ Von Sven Hansen

Über 2.000 eigens aus Japan eingeflogene Tänzer und Tänzerinnen wollen am Sonntagnachmittag Unter den Linden mit einer Parade in traditionellen Kostümen die Asien-Pazifik-Wochen des Senats einleiten. Abends folgen am Brandenburger Tor ein deutsch-japanischer Chor und ein Rockkonzert der japanischen Gruppe The Alfee. Am Montag wird die zum zweiten Mal durchgeführte Veranstaltungsreihe mit dem diesjährigen Länderschwerpunkt Japan dann von Prinz und Prinzessin Akishino sowie Bundespräsident Rau offiziell eröffnet. Bis zum 10. Oktober gibt es rund 160 Veranstaltungen aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft zu elf fernöstlichen Staaten. Offizieller Höhepunkt ist eine Konferenz der Wirtschaftsminister aus 15 europäischen und 10 ost- und südostasiatischen Staaten am 9. und 10. Oktober.

Als Ziele der Asien-Pazifik-Wochen nennt Senatssprecher Michael-Andreas Butz Wirtschaftsförderung, Kulturaustausch, wissenschaftlichen Dialog und Berlin-Werbung. „Durch die Kooperation mit Asien wollen wir Arbeitsplätze schaffen. Wir gehen davon aus, dass sich die Wirtschaftsregion Asien nicht nur erholt, sondern weiter wächst“, sagte er bei der Vorstellung des Programms. „Wir wollen Europas Brückenkopf für Asien sein.“

Dass Berlin mehr tun muss, um asiatische Firmen anzuziehen, meint Vollrad Kuhn, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus. Er verweist auf den Rückzug japanischer Unternehmen. „1995 gab es in Berlin 57, aber 1997 nur noch 25 japanische Firmen.“ So begrüßenswert die Initiative des Senats sei, so könne er nicht erkennen, wie damit gesellschaftliche und politische Probleme der Zukunft angesprochen werden. „Und bei den wirtschaftlichen Kontakten zu China, Indonesien oder Pakistan wird die Verantwortung Deutschlands gar nicht erst thematisiert“, bemängelt Kuhn. Während er auch die Frage der Menschenrechte vermisst, fehlt ihm in Berlins Städtpartnerschaften mit Peking, Tokio und Jakarta eine stärkere Diskussion von Strategien der Nachhaltigkeit beispielsweise in den Bereichen Verkehr, Abfall und Wasser. In der Senatskanzlei, die die Asien-Pazifik-Wochen koordiniert, wird dagegen betont, dass der Senat die einzelnen Veranstaltungen nicht selbst organisiert und finanziert, sondern nur einen Rahmen bietet, der von Institutionen, Firmen oder Gruppen eigenverantwortlich genutzt werden kann. Fehlende Inhalte seien auch auf mangelnde Initiativen interessierter Kreise zurückzuführen.

Alex Flor von der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia möchte das nicht gelten lassen. „Wir haben uns schon beim letzten Mal beschwert, dass wir nicht angeschrieben wurden, und unsere Visitenkarte dagelassen. Da wir dieses Mal wieder nicht angesprochen wurden, schließen wir daraus, dass wir nicht erwünscht sind.“ Er verweist darauf, dass am Dienstag der osttimoresische Friedensnobelpreisträger und Bischof Carlos Belo nach Berlin kommt. „Ich frage mich, ob der Senat dass nicht als Herausforderung sieht, zu den indonesischen Menschenrechtsverletzungen in Osttimor gegenüber seinem Wirtschaftspartner Indonesien Position zu beziehen, mit dem er städtepartnerschaftlich verbunden ist und für den er trotz EU-Waffenembargos noch immer zwei indonesische Polizisten in Berlin ausbildet.“

Ist das Programm auf den ersten Blick beeindruckend, so fällt auf, dass neben den vielen eher folkloristischen Kulturveranstaltungen vor allem wirtschaftliche Themen dominieren. Gegenwartsbezogene Asienbilder und kritische Fragestellungen sind dagegen rar. So taucht die Asienkrise nur im Untertitel einer Veranstaltung auf. Die zahlreichen asiatischen Konfliktherde von Kaschmir bis zur koreanischen Halbinsel oder von Taiwan bis Osttimor fehlen fast völlig. „Man will den Finger wohl nicht in die Wunden legen, um niemanden in der Region zu verprellen“, vermutet Eberhard Sandschneider, Professor an der Arbeitsstelle Politik Chinas und Ostasien der FU.

Rainer Seider von der Senatskanzlei räumt eine einseitige Besetzung des Kuratoriums ein, mit der man die Unterstützung der Wirtschaft habe bekommen wollen. Denn während der Senat nur geringe und kaum bezifferbare Mittel für die Veranstaltungsreihe einzusetzen bereit war, hätten die beiden deutschen Hauptsponsoren Siemens und DaimlerChrysler neben den zweistelligen Millionenbeträgen aus Japan je 50.000 Mark gegeben. Das Ziel sei aber trotzdem, ein möglichst breites Spektrum zu bieten. Als Beweis erklärt er sich bereit, auf der offiziellen Homepage der Asien-Pazifik-Wochen auch auf eine Parallelveranstaltung von regierungsunabhängigen Organisationen zum Treffen der europäisch-asiatischen Wirtschaftsminister hinzuweisen.

Auffällig ist auch die kaum vorhandene Beteiligung der drei großen Berliner Universitäten. Brachten sich vor zwei Jahren noch die Studenten des Fachbereichs Japanologie der FU mit eigenen Japan-Tagen ein, so fehlen die FU-Japanologen jetzt völlig, obwohl Japan dieses Jahr Schwerpunktland ist. Doch unabhängige Japanbilder sind umso dringender, als sich die Namen des japanischen Organisationskomitee der Reihe „Japan in Deuschland 1999 – 2000“, in deren Rahmen die Japanveranstaltungen der Asien-Pazifik-Wochen stattfinden, wie ein „Who is who“ der japanischen Großkonzerne lesen. „Im Programm dominiert die traditionelle Großkunst, die in Japan heute eher eine nebensächliche Rolle spielt“, urteilt Detlef Foljanty, Lektor des Fachbereichs Japanologie der Freien Universität. Die Abstinenz seiner Studenten erklärt er mit den Sparmaßnahmen, die zu einem drastischen Stellenabbau auch bei den studentischen Hilfskräften geführt habe.

Der Politologe Sandschneider sieht auch ein strukturelles Problem der Universitäten. „Es gibt nur wenige Institute, die gegenwartsbezogen ausgerichtet und bereit sind, sich auf praxisorientierte Fragen einzulassen“, sagt er. Als wollte sie seine Worte bestätigen, wickelt die Humboldt-Universität gerade den Arbeitsbereich Internationale Beziehungen an ihrem Institut für Asien- und Afrikawissenschaften ab. Dort hatten im Juni noch hochkarätige indische und pakistanische Wissenschaftler einen seltenen Dialog über die Gefahren der Atomrüstung geführt. Veranstaltungen dieser Art hätten die Asien-Pazifik-Wochen bereichert.

Zitat:„Man will den Finger wohl nicht in die Wunden legen, um niemanden in der Region zu verprellen.“

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