: Durchmarsch oder Schadensbegrenzung
■ Kommunale Stichwahlen in NRW: Ob die Ex-SPD-Hochburg morgen völlig schwarz wird, hängt auch von den grünen Wählern ab
Köln (taz) – Es wird ein spannender Wahlsonntag in Nordrhein-Westfalen: Gelingt der CDU der endgültige Durchmarsch? Oder schafft die SPD in ihrer einstigen Hochburg eine Schadensbegrenzung nach ihrem Einbruch bei der Kommunalwahl vor zwei Wochen? In 14 kreisfreien Städten, 9 Landkreisen und 108 kreisangehörigen Städten und Gemeinden stimmen die Wähler morgen über ihre künftigen Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte ab. Im ersten Wahlgang hatte hier keiner der Bewerber eine absolute Mehrheit erringen können. Nun reicht die einfache.
Am 12. September konnten die Sozialdemokraten nur in Duisburg, Oberhausen und Aachen ihre Oberbürgermeister-Kandidaten durchbringen. Der CDU gelang dies hingegen gleich in sechs Städten: in Bielefeld, Essen, Krefeld, Münster, Remscheid und Solingen. Noch verheerender sieht die Bilanz bei den Landratswahlen aus: Alle 22 im ersten Wahlgang gewählten Landräte stellen die Christdemokraten.
SPD-Landeschef Franz Müntefering hofft nun auf eine Schockreaktion gerade bei den Nichtwählern. „Die Menschen wollen nicht, dass unsere Städte völlig schwarz werden“, glaubt er. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Wolfgang Clement hingegen sieht die CDU im Vorteil, „weil Menschen natürlich gerne bei den Siegern sind“. Also nicht mehr bei den Sozis.
Nicht unerheblich wird das Verhalten der grünen Wähler sein. Für wen werden sie sich entscheiden, nachdem sie – außer in Köln – keinen eigenen Kandidaten mehr im Rennen haben? In der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn und in der Landeshauptstadt Düsseldorf unterstützen die Grünen die sozialdemokratischen Kandidatinnen Bärbel Dieckmann und Marlies Smeets. In beiden Städten war bei der Ratswahl Rot-Grün durch Schwarz-Gelb abgelöst worden. Auch den beiden bisherigen Amtsinhaberinnen Dieckmann und Smeets werden, trotz ihrer jeweils persönlich hohen Popularität in der Bevölkerung, nur Außenseiterchancen eingeräumt.
Im Ruhrgebiet sieht die Welt anders aus. Im Revier konnten sich die Grünen nicht zu einer Wahlempfehlung zugunsten der SPD-Kandidaten durchringen. „Seit ich wählen darf, bin ich zum ersten Mal in einer Situation, in der ich nicht weiß, warum ich zur Wahl gehen soll, weil ich keine wirkliche Wahl habe“, sagt die grüne Landessprecherin und Mülheimerin Barbara Steffens. Dass die Mülheimer Grünen nicht zur Wahl des CDUlers Jens Baganz aufgerufen haben, sondern keine Wahlempfehlung aussprechen wollen, kann SPD-Kandidat Thomas Schröer bereits als Erfolg werten. Denn die Grünen verübeln dem langjährigen Bundestagsabgeordneten, dass er nicht mit ihnen, sondern mit der FDP ein Bündnis im Rat anstrebt. Im ersten Wahlgang landete Schröer mit 43,7 Prozent der Stimmen hauchdünn hinter dem Veba-Manager Baganz, der auf 43,8 Prozent kam. Ein Aufruf für den CDUler wäre allerdings schwer vermittelbar gewesen, wurden doch die Grünen in Mülheim für ihre Liaison mit den Christdemokraten in der letzten Ratsperiode vom Wähler am 12. September bitter abgestraft: Sie stürzten von 14,7 auf gerade mal noch 6 Prozent.
Wie in Mülheim wollen auch in Bochum, Dortmund und Gelsenkirchen die Grünen nicht zur Wahl des SPDler aufrufen. Der Grund ist einfach: In allen drei Städten gibt es keine klaren Mehrheitsverhältnisse im Rat. Und die Grünen verhandeln, trotz der schlechten Mülheimer Erfahrungen, über eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten. Eine Wahlempfehlung könnte da die Verhandlungsposition der Öko-Partei schwächen.
In Dortmund haben sich Schwarze und Grüne bereits auf eine „begrenzte und sachthemenbezogene Verabredung“ verständigt. Eine schwarz-grüne Koalition schließen beide Parteien jedoch aus. Dazu wären die inhaltlichen Differenzen doch zu groß. Anders in Bochum. Es gäbe „nur noch wenige offene Fragen“, die einer Kooperation der beiden ungleichen Partner entgegenstünden, meint der Bochumer Fraktionschef der Grünen, Wolfgang Cordes.
Auch in Bottrop, wo im ersten Wahlgang der amtierende SPD-Oberbürgermeister Ernst Löchelt mit 47,7 Prozent knapp 4 Prozent vor seinem CDU-Herausforderer Hermann Hirschfelder lag, haben sich die Grünen nicht zu einer Wahlempfehlung für den Sozialdemokraten durchringen können. Aber dafür die DKP. „Ein bürgerlicher Block muss unbedingt verhindert werden“, begründet der Bottroper DKP-Fraktionschef Michael Gerber den Wahlaufruf seiner Partei für den Sozi. Damit könnte es für Löchelt reichen: Die Kommunisten kamen in ihrer traditionellen Hochburg bei den Stadtratswahlen mit 4,4 Prozent auf genauso viele Stimmen und Sitze wie die Grünen. Pascal Beucker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen