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„Wie eine Schachtel Mon Cherie“

■ Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, will, dass die Bundesregierung bei der Entkriminalisierung weicher Drogen Ernst macht

taz: Kifft der Abgeordnete Volker Beck gelegentlich?

Volker Beck: Ich muss immer husten, weil ich Nichtraucher bin.

Warum kümmert sich die rot-grüne Drogenpolitik um schwerkranke Drogenabhängige, während die rechtliche Diskriminierung von HaschischkonsumentInnen unverändert bleibt?

Was im Bereich der harten Drogen passiert – der Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Heroinabgabe und die rechtliche Absicherung von Fixerräumen – ist ein wichtiger Paradigmenwechsel. Endlich werden schwer Drogenabhängige als Kranke ernstgenommen und ihnen Wege eröffnet, wegen ihrer Sucht nicht in die Kriminalität abzurutschen. Wir Grünen hätten uns da mutigere Schritte vorstellen können, aber hier ist die Bundesregierung auf einem guten Weg.

Das ist keine Rechtfertigung dafür, bei den weichen Drogen nichts zu tun.

Ganz untätig war die Regierung hier ja auch nicht. Im Krankenhaus Berlin-Moabit hat im Mai ein zweijähriger Modellversuch zum Einsatz von Cannabis als Arzneimittel bei Krebs- und Aidspatienten begonnen.

Alles dreht sich um Kranke. Die durchschnittlichen Haschischnutzer sind aber nicht krank.

Richtig. Bei Haschisch geht es nicht um Kranke, sondern um die Frage, was kann und darf der Staat mit Repression durchsetzen. Das Suchtpotential von Haschisch ist deutlich geringer als das von Alkohol, den zu Recht niemand verbieten will. Bei Cannabis hat der Staat eindeutig überreagiert und ein relativ ungefährliches Genussmittel aus ideologischen Gründen kriminalisiert. Hier müssen wir der Bundesregierung Beine machen.

Was könnte sich für HaschischkonsumentInnen dann konkret verändern?

Es geht vor allem um eine Entkriminalisierung der Konsumenten. Wer Haschisch nur zum Eigengebrauch besitzt, muss straffrei bleiben.

Das sagte schon das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994.

Aber in der Praxis sieht die Einstellung der Verfahren recht unterschiedlich aus. In Bayern gelten maximal 6 Gramm als „geringe Menge“, in Schleswig-Holstein sind es immerhin 30 Gramm. Das ist nicht nur ungerecht, sondern führt auch zu praktischen Problemen, zum Beispiel wenn ein Cannabiskonsument aus Kiel durch Bayern fährt.

An welchem Niveau sollte sich eine bundeseinheitliche Regelung dann orientieren, am bayerischen oder am schleswig-holsteinischen?

Ich plädiere dafür, sich eher an Schleswig-Holstein zu orientieren. Solange man Haschisch nicht legal erwerben kann, muss man in Kauf nehmen, dass sich Konsumenten kleinere Vorräte anlegen.

Mit der Straffreiheit ist es aber nicht getan. Wer gelegentlich kifft, ist ständig vom Führerscheinentzug bedroht.

Auch hier müssen wir etwas tun. Wer heute im Zug mit ein paar Gramm Haschisch erwischt wird, muss zur medizinisch-psychologischen Untersuchung, mit der Gefahr, dass ihm der Führerschein entzogen wird. Das ist völlig überzogen. Es muss auch niemand zum „Idiotentest“, weil er in der Straßenbahn eine Schachtel „Mon Cheri“ dabei hatte. Sanktionen darf es nur geben, wenn sich jemand ans Steuer setzt, während er in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist.

Das entsprechende Gesetz ist aber erst im letzten August eingeführt worden.

Ich halte es in seiner Konsequenz für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Deshalb muss es möglichst bald korrigiert werden.

Wird es bald Haschisch in der Apotheke zu kaufen geben?

Es ist richtig, die Märkte für harte und weiche Drogen zu trennen. Wer Hasch konsumieren will, sollte nicht den Kontakt zum kriminellen Milieu suchen müssen. Erst muss allerdings der Verbrauch entkriminalisiert werden, dann kann man auch über legale Abgabeformen reden.

Im rot-grünen Koalitionsvertrag wurde zum Thema Haschisch nichts verankert, weil die Diskussion in der SPD noch nicht weit genug war. Warum glauben Sie, dass sich jetzt doch etwas bewegen könnte?

Dass eine repressive Rauschgiftpolitik die Konsumgewohnheiten nicht beeinflusst, hat erst jüngst die zweite europäische Konferenz „Jugend und Drogen“ in Maastricht gezeigt. Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse müssten auch beim Bundesinnenminister zu einer Überprüfung seiner Haltung gegenüber weichen Drogen führen.

Interview: Christian Rath

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