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„Ich wollte Captain America ausziehen“

Superman in Metropolis, Batman als Nosferatu und Wonderwoman, die der Blaue Engel ist: Mit Hilfe deutscher Filmklassiker nimmt der amerikanische Zeichner Ted McKeever auf dem 8. Comicfest in München den Kult um die Superhelden auseinander  ■   Von Martin Zeyn

Werden die Maßstäbe der europäischen Comic-Etikette angelegt, so haben Superhelden immer noch etwas Unfeines. Zu oft verschwimmen in diesem Genre die Grenzen zwischen der Figur selbst und deren Merchandising. Das 8. Münchner Comicfest hat sich an das Thema gewagt – und ihm spannende Aspekte abgewonnen. Zum Beispiel mit der Einladung von Ted McKeever. Der US-amerikanische Zeichner und Texter hat etwa mit dem Batman-Band „Maschinen“ (Carlsen 1998) ein geradezu somnambules Album vorgelegt.

Im ganzen Comic spricht der Held nur einmal. Allerdings fährt gerade ein Zug vorbei und niemand versteht, was er sagt. Ein Superheld, reduziert auf seine gespenstische Erscheinung und seine Handlungen. Ein nackter Batman, von dem McKeever sagt: „Ich dekonstruiere, ich zerstöre die Superhelden, ich schaffe sie neu. Mich interessiert keine absolut freie Tätigkeit. Ich arbeite gerne mit Vorgaben: Der Held darf niemanden töten, keine Drogen nehmen und keine Waffe benutzen. Die Möglichkeiten innerhalb dieser Grenzen sind unendlich!“

Weil es aber keinen Superhelden ohne Copyright gibt, muss McKeever bei den Verantwortlichen in den Verlagen vorsprechen. Und die sorgen sich um ihre empfindlichen Figuren, fragen genau nach, was McKeever zum Beispiel mit Captain America vorhat, dem Superhelden mit Schild und Kostüm aus der amerikanischen Flagge, der gleich bei seinem ersten Auftritt 1941 Hitler einen Kinnhaken verpasste: „Die Flagge darf in den USA nicht verunglimpft werden. Also wollte ich Captain America ausziehen, was fast soviel bedeutet, wie auf die Fahne zu spucken. Es ging darum, ihm die Maske abzunehmen, ihm den Kopf zu rasieren, ihn auf das reduzieren, was er ist.“

Marvel hat dieses Projekt abgelehnt. Immer wieder trifft McKeever auf solche gluckenhaften Restriktionen. Andererseits hat er vom Verlag DC die Erlaubnis für eine tollkühne Trilogie bekommen, bei der er drei klassische Charaktere mit deutschen Filmen verbindet: Superman mit „Metropolis“, Wonderwoman mit „Der blaue Engel“ und Batman mit „Nosferatu“. Diese Verschmelzung hat perverse oder zumindest größenwahnsinnige Züge. Aber gerade beim Amalgam Batman/„Nosferatu“ entwickelt dieses Vorhaben eine eigene Evidenz. Beide Figuren sind Nachtwesen, fledermausartig, beide leben ihr Leben nur wegen der Vergangenheit. Und vielleicht ist die Idee dieses Superheldens nie klarer dargestellt worden, als in McKeevers Zeichnung eines ausgezehrten Batman mit überdimensionalen Nosferatu-Fingernägeln. „Ich empfinde eine Lust am Verbotenen“, beschreibt McKeever sein Verhältnis zu der geschundenen Figur, „wenn du damit anfängst, musst du allerdings bis ans Ende gehen.“

Von einer anderen, extremen Entwicklung, die sich durch grafische, geradezu wolllüstige Opulenz auszeichnet – verbunden mit dem Fehlen irgendeiner Gewalthemmung –, distanziert sich McKeever. „Ich glaube, je ruhiger du etwas darstellst, desto mehr springt es ins Auge. Deshalb verzichte ich auf Lautmalereien wie 'Argh‘ oder 'Splash‘. Mit vielen neuen Superhelden kann ich nichts anfangen. Die Charaktere heute sind verrückt und bösartig. Gewalt wird nur um der Gewalt willen dargestellt. Natürlich gibt es auch in meinen Figuren dunkle, gewalttätige Seiten, aber eben auch eine bestimmte Form von Ehre – und ein Spielen mit den verschiedenen Ebenen ihrer Persönlichkeit. Bei den neuen Superhelden wie Spawn fehlt es an Begründungen, es fehlen Charakterzüge. Stattdessen springen alle herum oder kämpfen. Es mangelt an der Fähigkeit, mit alltäglichen Dingen umzugehen. Ich möchte einen Superhelden sehen, der am Tisch sitzt und nichts weiter macht, als einen Gegenstand zu betrachten.“

Superhelden war in den 60 Jahren ihrer Existenz vieles möglich, auch am Tisch zu sitzen und sich zu streiten, wer die meiste Fanpost bekommt, wie es einmal der legendäre Szenarist Stan Lee und der Zeichner Jack Kirby mit den Fantastic Four durchgespielt haben. Welche Superhelden es gibt, was sie auszeichnet, welche Probleme sie haben, zeigt die hervorragende Ausstellung auf dem Comicfest München. Es gelingt dem Ausstellungsteam, mit Covern und einzelnen Seiten interessante Fragen zum Genre aufzuwerfen und sogar ganz nebenbei eine Geschichte der Superhelden zu schreiben. Wie sie etwa als amerikanische Patrioten am Krieg gegen Nazideutschland teilnahmen, in den Siebzigerjahren sich weigerten, für das FBI als Agent zu arbeiten und in den Neunzigern humanitäre Aktionen unterstützen: In einer Unesco-Publikation warnt Superman auf Albanisch Kinder vor den Gefahren von Landminen. Superhelden sind zwar stark, aber dem Zeitgeist erliegen sie doch. „Wosh – World of Super Heros“, bis 3. Oktober, Aktionsforum Praterinsel, München

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