: Grüner Schnellschuss schadet Amnestie-Idee
■ Befürworter einer Amnestie fühlen sich von der Grünen-Kampagne übergangen
Berlin (taz) – Gegen die Kampagne „Amnestie 2000“ kommt jetzt auch Kritik aus dem Kreis von Gefängnisseelsorgern, die bereits seit Anfang des Jahres an einer Initiative für eine Amnestie arbeiteten. „Zeitlichen Blödsinn“ und einen „Alleingang Ströbeles“ nennt die katholische Seelsorgerin Ingrid Frank den von den Grünen in die Diskussion gebrachten Termin. Der 1. Januar 2000 sei weder für eine Gesetzesinitiative noch für eine breite gesellschaftliche Diskussion ein realistischer Termin, moniert die Mitarbeiterin der „Initiative Amnestie 2000“ aus Hannover.
Bislang war die Kampagne „Amnestie 2000“ der grünen Politiker Hans-Christian Ströbele, Volker Beck, Renate Künast und Antje Vollmer schon an anderer Stelle auf wenig Begeisterung gestoßen. Politiker von SPD, FDP und Union sprachen sich ebenso scharf gegen sie aus wie das für eine entsprechende Gesetzesinitiative zuständige Bundesjustizministerium.
Seit Anfang des Jahres arbeitet die Hannoveraner Initiative von Gefängnispfarrern an der Idee einer Amnestie – allerdings nicht zum 1. Januar, sondern zum Weihnachtsfest 2000. Der Fahrplan lautete: Zur Einleitung einer breiten Debatte findet vom 1. bis 3. November in der Evangelischen Akademie Loccum die Tagung „Gnade vor Recht oder gnadenlos gerecht? Amnestie, Gerechtigkeit und Gnade im Rechtsstaat“ statt. „Nach dieser Tagung“, so Frank, „wollten wir an Abgeordnete herantreten und eine parteiübergreifende Initiative anregen.“
Auch Gerhard Hille, Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Detmold und Mitarbeiter der im Mai gegründeten örtlichen „Initiative Amnestie 2000“, wäre eine überparteiliche Aktion lieber gewesen als der grüne Alleingang. „Ich bin allerdings froh, dass überhaupt eine Partei unseren Gedanken aufgegriffen hat, da für eine Amnestie ein Gesetz notwendig ist“, räumt er ein. Inhaltlich gäbe es an den Forderungen der Grünen nichts zu rütteln.
Für eine parteiübergreifende Amnestieforderung dürfte es nach dem grünen Schnellschuss allerdings zu spät sein. Zu schroff waren die ersten Reaktionen von SPD, CDU/CSU und FDP auf den Vorstoß, zu mangelhaft die Vorbereitung zur Gesetzesiniative.
Kein Wunder: Erfahren hatten die Grünen von den „Amnestie 2000“-Initiativen in Detmold und Hannover erst nach dem „Monitor“-Beitrag „Gefängnisse: Chaos hinter Gittern“ vom 12. August. „Wir haben unseren Aufruf 'Amnestie 2000‘ nach der Sendung an die Redaktion von ,Monitor‘ geschickt, die haben ihn an die Grünen weitergeleitet, worauf diese Kontakt mit uns aufnahmen“, berichtet Gerhard Hille.
Verwundert ist Ingrid Frank aus Hannover, weshalb die Grünen nicht bis zu dem für Oktober vereinbarten Koordinationstreffen mit ihrer Öffentlichkeitskampagne warten wollten. Ihre Vermutung: Der aktuelle Machtkampf bei der Grünen könnte die Ursache sein. Eberhard Seidel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen