: Die Wunde des Westens
■ Nofretete geht, Ostermaier kommt: In Charlottenburg diskutierten Grüne, wie man den Abmarsch der Kultur nach Mitte stoppen kann
Die Frage, ob der Kurfürstendamm wieder angesagt ist und was aus der Kultur in Charlottenburg in Zukunft werden soll, war Thema eines von den Grünen veranstalteten Podiumsgespräches. Mit Alice Ströver, die der bevorstehende Umzug der Nofretete nach Mitte ebenso schmerzt wie der Leerstand der Deutschlandhalle und des Schiller Theaters, diskutierten also mehr und weniger prominente Vertreter der Charlottenburger Kultur. Darunter André Schmitz, Verwaltungsdirektor der Deutschen Oper, und Torsten Maß von der Berliner Festspiele GmbH.
Es ist einiges passiert im Westteil der Stadt: Die Deutschlandhalle steht leer. Die Filmfestspiele sind nun zum Potsdamer Platz gezogen, und auch die Nofretete wohnt bald wieder auf der Museumsinsel. Es herrscht Panik unter manch altem Charlottenburger, zu denen sich auch Alice Ströver zählt, also fordert sie Maßnahmen wie eine Charlottenburger Kulturkonferenz und ein einheitliches Werbekonzept der Kultureinrichtungen. „Wird es gelingen, dem Publikumsstrom nach Mitte Einhalt zu gebieten?“, hieß die Frage und es blieb offen, ob man als letztes Mittel zum Wiederaufbau der Mauer greifen wollte.
„Wir sind der Nabel noch von früher!“
Und während am Kurfürstendamm ein internationaler Luxusladen nach dem anderen eröffnet und die Straße eine Vitalität ausstrahlt wie zu besten Westberliner Zeiten nicht, wurden alte Wunden geleckt. „Wir sind der Nabel noch von früher!“, rief aufgeregt eine Dame im ziemlich leeren Zuschauerraum. Die größte Wunde des Berliner Westens, der noch lange nicht verkraftet hat, nicht mehr Berlin (West) zu sein, heißt offensichtlich Schiller Theater. „Die Wunde blutet noch“, sagte also Torsten Maß und stand schon mit dem verbalen Verbandskasten bereit.
„Festspielhaus“ hieß das größte Pflaster, das er anzubieten hatte. Denn die Berliner Festspiele GmbH plant, das Schiller Theater für wichtige internationale Gastspiele zu nutzen, die bisher gar nicht oder bloß im September während der Festwochen gezeigt werden konnten. Außerdem sollen das Jazzfest, „Tanz im August“, Theatertreffen und das Berlin Ballett in Zukunft das leer stehende Haus nutzen. Wie weit diese Pläne fortgeschritten sind, konnte auch André Schmitz dem Festspielintendanten nicht entlocken, Alice Ströver lenkte das Gespräch lieber in depressivere Bereiche. Die abrissbedrohte Deutschlandhalle oder das verheerende Stolzenberg-Gutachten zum Beispiel, und zwei Vertreter von Theatern, die eben noch den Hals aus der Schlinge ziehen konnten, nicken gerührt.
BVV-Mitglied Thomas Birk erinnerte sich nochmal an die Happenings in der Woche der Schließung des Schiller Theaters: Wehmütiger hätte kein Ostler über den Abriss des Lenin-Denkmals in Friedrichshain berichten können. Dabei besteht zur Panik in Charlottenburg wenig Anlass. Nach der Wende kam die Sammlung Berggruen nach Charlottenburg. Und bevor Nofretete in den Osten geht, kommt Ostermeier zum Kudamm. Esther Slevogt
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