Angst vor Malaria im früheren Kaiser-Wilhelm-Land

Herbert Kamps dreht ein paar Runden im Pool. Die frische Luft tut gut. Nachts schließt er immer die Fenster und macht die Klimaanlage an, wegen der Moskitos. Seit einem Jahr ist er hier. Impfen lassen will er sich nicht. Die Nebenwirkungen der langwierigen Immunisierung sind ihm zu gefährlich. Und ein Kollege hatte trotzdem Malaria bekommen. Bisher ist auch alles gut gegangen. Von der Terrasse seiner einfachen Residenz hat der deutsche Botschafter einen grandiosen Blick. Nach vorn über die gesamte Halbinsel bis nach Port Moresby, der Hauptstadt Papua-Neuguineas. In anderer Richtung, nach Norden, sind die Ausläufer des 4.036 Meter hohen Mount Victoria auszumachen.

Nach einer Schüssel Müsli macht sich der Diplomat auf den Weg hinunter nach Port Moresby in die Botschaft. Konsularische Angelegenheiten für einige der rund achthundert Deutschen auf Neuguinea stehen am 9.11.89 auf seinem Programm. Die deutschstämmige Bevölkerung besteht zum großen Teil aus Missionaren und Entwicklungshelfern, die sich auf einer der sechshundert Inseln des Landes niedergelassen haben. Das Staatsgebiet ist dreimal so groß wie das der unvereinten BRD. Der nördliche Teil des Inselreiches war bis 1914 eine deutsche Kolonie namens Kaiser-Wilhelm-Land gewesen. Das Bismarck-Archipel mit der Insel Neuhannover zeugt noch heute von der Vergangenheit.

In der Botschaft läuft CNN. Große Aufregung. Seine Stellvertreterin Margret Weigt, die in der DDR geboren wurde, kommt ihm aufgeregt entgegen. „Die Mauer ist gefallen.“ Die jüngeren Diplomaten sind nicht so freudig erregt, beobachtet Kamps. Für sie ist die Mauer schließlich Normalität. Der 62-Jährige ist überrascht: dass es „so schnell gehen würde“ hat er nicht erwartet. Wenig später spuckt das Fax die schriftliche Bestätigung des Außenministeriums Hans-Dietrich Genschers aus. Nun ist es amtlich. Eine Flasche Sekt macht die Runde. Das Telefon beginnt zu klingeln; Deutsche wie Einheimische wollen gratulieren.

Ein gelungener Start ins Wochenende. Eines ohne berüchtigte Cocktailempfänge und voller Entspannung wartet. Herbert Kamps fährt auf einer der wenigen asphaltierten Straßen nach Hause. Das Essen steht auf dem Tisch. Süßkartoffeln und allerlei lokales Gemüse hat seine chinesische Köchin zubereitet. Mit seiner Frau Jutta setzt er sich vor den Fernseher und schaut den Deutschen beim Tanz auf der Mauer zu. Die Diplomatengattin glaubt, dass es mit der Wiedervereinigung noch eine ganze Weile dauern wird. Kennengelernt haben sich die beiden, als sie zusammen in der Deutschen Botschaft in Seoul beschäftigt waren. Die Bilder des Mauerfalls aus Berlin wecken in Kamps „das Bedürfnis, sofort hinzufahren.“ Seine Eltern stammen aus Berlin, er hat die Stadt nur geteilt in Erinnerung.

Der Botschafter nimmt sich vor, den nächsten Heimaturlaub zu nutzen und die ganze Sache mit eigenen Augen zu sehen. Erst im März 1990 findet sich die Zeit. Vorher muss er noch seine Malaria auskurieren. Bernd Dörries