piwik no script img

Als der Mord an Leigh Leigh die Gewissheiten in einer Stadt erschütterte

Freunde, Lehrer, Mitschüler, Bekannte und Verwandte und außergewöhnlich viele Leute aus dem Ort sind gekommen. Es ist ein wolkenloser Donnerstag. Die Sonne über Stockton, Neusüdwales/Australien steht hoch am 9.11.89. Aber das ist nicht der Grund, dass einige der Anwesenden Sonnenbrillen aufgesetzt haben. Die meisten halten sich aneinander fest, putzen sich immer wieder die Nase oder weinen still vor sich hin. Die Männer blicken zu Boden. Es scheint jede Menge Wut in ihnen zu sein. Und dass sie vermutlich nicht wissen, wohin damit, macht ihre Gesichter noch eisiger.

Die Kirche bietet nicht genug Platz für alle. Leigh Leigh war offenbar sehr beliebt. Ein sehr lebenslustiges Mädchen, mit einem Faible für Abenteuer, eine, mit der man gut klargekommen ist, wie ihr Bruder sagt. Er hat die Trauerfeier organisiert. Als die Sargträger, darunter der Vater Robert Mears, der noch einmal nach Stockton gekommen ist, und Stiefvater Brad Sherman Leigh aus der Kirche tragen, ertönt „If I could turn back time“ von Cher, einer der Lieblingssongs von Leigh. Der Sarg wird hinab gelassen, und die Klassenkameraden von Leigh, viele in Schuluniform, werfen rote Rosen und Blumengestecke ins Grab.

Seit dem Mord an der Vierzehnjährigen hat sich in der Stadt vieles verändert. Weil Leigh nicht mehr lebt, haben ihre Freundinnen Angst. „Ich habe mich hier bislang immer sicher gefühlt“, sagt Kristi Sovechles, dreizehn Jahre, eine Schulfreundin von Leigh, die schon sieben Jahre hier wohnt. „Bevor derjenige nicht verhaftet ist, der das getan hat, gehe ich nicht mehr allein auf die Straße.“

Leigh war auf einer Party gewesen, am letzten Freitag im North Stockton Surf Club. Eine andere Freundin von ihr, Leanne Polie, durfte in dieser Nacht nicht ausgehen. Ihre Eltern hatten es verboten. Dabei findet sie es ist okay, wenn Teenager Alkohol trinken, so lange sie ihr Limit nicht überschreiten. Nach dem Mord sind Bier trinkende Teenager eine eher kleine Elternsorge, die Leanne aber vielleicht das Leben gerettet hat. Irgendwann wollte Leigh nach Hause und ist von der Party losgegangen. Sie kam nur zweihundert Meter weit. Jedenfalls fand man am Sonnabend Morgen in dieser Entfernung die Leiche des Mädchens.

Die Untersuchung ergab, dass Leigh vergewaltigt und erschlagen worden war. Der zuständige Kripobeamte, Detective Sergant Lance Chaffey, hat eine Woche nach dem Verbrechen noch keine Hinweise darauf, wer der Täter sein könnte. Man weiß noch nicht einmal, ob es einer war oder mehrere Täter für das Verbrechen verantwortlich sind. Außerdem wartet man noch auf die Auswertung der Blut- und Spermauntersuchung. „Dinge wie diese kommen in Stockton eigentlich nicht vor. Stockton war bisher eine Gegend, wo man friedlich zusammen leben konnte. Wenn ausgerechnet hier so etwas passiert, ist es noch viel schlimmer“, sagt Leighs Bruder David. Enno Bolten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen