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Ecuador ist zahlungsunfähig

Gläubiger befürchten eine Kettenreaktion in Lateinamerika, wenn sie dem Andenstaat ausstehende Zinsen stunden, und fordern die sofortige Rückzahlung  ■   Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – Ecuador ist doch pleite. Am Freitag bestätigte die New Yorker Zentrale der Chase Manhattan Bank, dass ein Viertel aller Gläubiger des Andenstaates die noch ausstehenden 51,9 Millionen US-Dollar Zinsen aus den sogenannten Brady-Bonds bezahlt haben will – genau die Quote, die notwendig ist, um das Land zur Auszahlung oder zur Zahlungsunfähigkeitserklärung zu zwingen. Die Bonds stehen für 44 Prozent der ecuadorianischen Außenschulden von 14,1 Milliarden US-Dollar, knapp 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Schon in der vergangenen Woche hatte der ecuadorianische Präsident Jamil Mahuad erklärt, sein Land sei nicht in der Lage, diese Summe zu bezahlen. Im Finanzministerium in Quito war man davon ausgegangen, dass die Gläubiger Verständnis für das krisengeschüttelte Land aufbrächten: 1998 war Ecuador zuerst von dem Unwetter El Niño heimgesucht worden, dann kamen die internationale Finanzkrise und der niedrige Weltmarktpreis für Bananen. 1999 wird die Wirtschaft wohl um 7 Prozent schrumpfen. Ecuador will nun mit den Gläubigern über eine Schuldenreduzierung verhandeln.

Innenpolitisch könnte die Regierung von der Zahlungsunfähigkeit profitieren. Ende der Woche unterschrieb der Finanzminister in New York ein Kreditabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Interamerikanische Entwicklungsbank in Höhe 1,3 Milliarden US-Dollar. Die Auszahlung ist mit strengen Auflagen verknüpft. So muss das Land eine strenge Geldpolitik einführen, die Zinsrate senken und die Inflation im kommenden Jahr auf 25 Prozent drücken. Bereits mehrfach ist die Regierung mit ähnlichen Programmen im Kongress gescheitert. Jetzt wird der sich kaum quer stellen können.

Die Gläubiger dürften bei ihrer Entscheidung weniger an Ecuador selbst als vielmehr an Brasilien, Mexiko und Argentinien gedacht haben, die nur auf einen Präzedenzfall warten. In Brady-Bonds steht Brasilien mit 45, Mexiko mit 23,8 und Argentinien mit 22 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Finanzprobleme haben alle. Als die Schuldenstreichung dieser Tage auf einer Konferenz des Wall Street Journal in New York angesprochen wurde, sagte der argentinische Präsident Carlos Menem: „Ich hoffe, Sie denken dabei dann auch an uns.“ Auch andere lateinamerikanische Länder würden das Geld statt zur Schuldentilgung lieber für Bildung, Gesundheit, Wohnraum und Lebensmittel ausgeben.

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