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Doctor, my brain hurts!“

■ Dreißig wunderbare Jahre mit Monty Pythons Flying Circus

Mag Günter Grass „Monty Python's Flying Circus“? Man weiß es nicht, man sollte ihn fragen: Immerhin ging sein Lebenswunsch keine Woche vor dem Tag in Erfüllung, an welchem die großartigste Comedy-Show der Fernsehgeschichte Jubiläum feiert: Heute vor 30 Jahren versendete die BBC Episode I: „Kanada, wohin?“. Und wenn schon nicht „für die deutsche Kultur“ (G. Schröder), so hat doch für die Gesamtwelt dieser Geburtstag erheblich mehr Bedeutung als Grassens Nobelpreis.

John Cleese, Michael Palin, Terry Jones, Terry Gilliam, Eric Idle und Graham Chapman mussten eine sorgfältige Ausbildung im Scherzbergwerk hinter sich bringen, ehe die BBC ihnen eine eigene Show gewährte: Zunächst als Mitglieder halbprofessioneller Studentenkabaretts in Cambridge und Oxford, danach als Gagschreiber und komische Darsteller für Sendungen wie „At last the 1948 Show“ – wo Cleese und Chapman wirkten – oder „Do Not Adjust Your Set“, wo die anderen vier sich bemühten. Endlich bemerkte man einander: John Cleese schlug Michael Palin eine Kollaboration vor; und der Herr übers Komische bei der Anstalt, Barry Took, sorgte für die Vereinigung dieser äußerst hoffnungsvollen Nachwuchskräfte.

Und dann begann ein Triumphzug, wie ihn das Königreich ...? Nein. Die Show, die nicht bloß alle Formen, welche das Fernsehen bis dahin entwickelt hatte, in Grund und Boden parodierte und travestierte, sondern Formate entwickelte, an deren Imitation noch jede neudeutsche Ödfinken-„Comedy“ gescheitert ist, wurde während der ersten beiden Saisons ad libitum versendet; kurzerhand ersetzt durch solide Ratgebersendungen fürs bäuerliche Handwerk und Interviews mit dem Adel, einmal gar durch eine Sondersendung über das „Pferd des Jahres“. Weder vermochte das planvolle Chaos von „Monty Python's Flying Circus“ ein Publikum, das an der abgehangenen Form, an der mit dem Geodreieck gezogenen Programmstruktur stumpf geworden war, sogleich zu begeistern, noch rafften die Mächtigen der BBC seinerzeit, welch ein Reichskleinod Barry Took ihnen da beschert hatte. Lieber beschwerten sie sich über die gelegentlich sehr derben Dialoge („Are you a pooftah?“) und den noch derberen Slapstick. (Jene einzigartige Peckinpah-Parodie „Tage des Salats“, Folge 33, die mit der netten Frage anhebt: „Wer möcht' Tennis spielen?“ und in wahren Blutkaskaden badet, schien allerdings dazu angetan, der Gang ein „Suhlen im Sadismus“ zu unterstellen; jedenfalls, wenn man ein Freund von Specials über Prinzessin Anne und andere „Pferde des Jahres“ war.)

Mit Ende der dritten Staffel verließ John Cleese die Truppe, um sich „Fawlty Towers“ zu widmen. Nach fast zwei Jahren Denkpause kehrte die Show – die nun nur noch „Monty Python“ hieß – auf den Bildschirm zurück, brachte es auf sechs Abschiedsvorstellungen, und dann, am 5. Dezember 1974 (Folge 45: „Party Political Broadcast“) war der Zirkus für immer vorbei, verklang John P. Sousas „Liberty Bell March“ auf ewig ... Aber eigentlich ging es erst jetzt richtig los. Gleichwie die First Generation von „Star Trek“ so gut wie keinen Hund hinterm Ofen vorgelockt hatte, kurz nach ihrer Absetzung allerdings zur kultischen Veranstaltung aufstieg, dämmerte es auch dem britischen Publikum bald nach Ende der Serie, was es an seinen Pythons gehabt hatte. Und nun begann in der Tat ein Triumphzug, und zwar nicht allein durchs UK, sondern die halbe Welt, wie ihn etc. pp.

„Monty Python's Flying Circus“ (der, wären die teaminternen Abstimmungen anders verlaufen, auch „Owl-Stretching Time“, „Vaseline Review“ oder „Bob Python's Flying Circus“ hätte heißen können – „Bob Python“!?) – diese Show zu loben für Vielfalt, Subtilität, visuellen Witz und vis comica, hieße Eulen mit Vaseline zu strecken. Welch einmalige, unwiederholbare Konstellation damals zusammenkam mit einer alles in allem doch ganz schön wagemutigen Fernsehanstalt und einer Gruppe junger Komiker, die – oft während eines einzigen Sketches – vom Fäkalgag à la manière du Benny Hill über das Fake-Feature bis zum Neo-Dadaismus nichts ausließ, beweist die hohe Zahl von mal mehr, mal weniger peinlichen, doch stets vergeblichen Versuchen, dort fortzusetzen, wo die Pythons einst aufhörten. Weiter als mit der Spanischen Inquisition, die niemand erwartet, schon gar nicht, wenn sie in einen Durbridge-Krimi platzt, kann man in der Fernsehparodie nicht gehen; wer es doch tut, produziert blanken Blödsinn – was dem Fliegenden Zirkus nie passierte. Mitnichten nämlich findet sich auch nur eine Sekunde „Nonsens“ in ihrer Show; vielmehr eine atemberaubende Produktion von Mega-Sinn: Das „Ministerium für Alberne Gangarten“ mag man als Satire auf „die Bürokratie“ ansehen, aber es wird recht schnell klar, dass hier eine Satire auf derartige, ziemlich obsolete Satiren inszeniert wird, und übrigens vergeht einem über die unmögliche Choreographie John Cleeses in kürzester Zeit sowieso jeder analytische Verstand. Mehr Beispiele? Ach, nee: „Doctor, my brain hurts!“

Nach dem viel zu frühen Krebstod Graham Chapmans im Jahre 1989 (einen Tag vorm 20. Jubiläum der Show) lehnte das verbliebene Quintett jedes Ansinnen einer TV-Reunion ab. Nun aber, zum 30sten, sind sie weich geworden. BBC 2 will ihnen eine Geburtstagssendung spendieren, sie möchten der Welt neue Sketche, nie gesendete Szenen und Outtakes schenken. Bleibt bloß und heftig zu hoffen, dass die deutsche Ausstrahlung nicht von Sat.1 übernommen wird. Sonst kann man ja gleich „Die Rättin“ lesen.

Kay Sokolowsky

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