: Eine vertane Chance für Berlin“
■ Die Bundesdrogenbeauftragte Nickels zum Modellversuch der kontrollierten Heroinabgabe
taz: Acht Städte werden sich an dem bundesweiten Modellversuch zur kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige beteiligen. Ausgerechnet Berlin zögert noch. Bis wann kann die Hauptstadt noch aufspringen?
Christa Nickels (B 90/Grüne): Wenn das Studiendesign für die wissenschaftliche Begleitung des Modellversuchs feststeht, kann Berlin zwar noch teilnehmen. Es kann das Studiendesign aber nicht mehr beeinflussen. Das wird im kommenden Frühjahr der Fall sein.
Warum ist es wichtig, dass sich Berlin beteiligt?
Die Hauptstadt muss selber wissen, was sie tut. Ich kann nur die Berliner Drogenbeauftragte zitieren, die darauf hingewiesen hat, dass in der Stadt 7.000 bis 8.000 Drogenabhängige leben, von denen 100 bis 150 Schwerstabhängige an dem Versuch teilnehmen könnten.
Und was meinen Sie?
Angesichts der großen Zahl von Abhängigen müsste Berlin großes Interesse haben. Auf Grund der vorhandenen Hilfestruktur wäre die Stadt auch durchaus fähig, in so einen anspruchsvollen Modellversuch einzutreten. Aus Sicht des Bundes muss ich aber betonen, dass wir ausreichend Probanden und Städte haben, um den Modellversuch starten zu können. Für Berlin wäre es sehr zu bedauern, wenn die Stadt diese Chance für die Betroffenen nicht wahrnimmt.
Das Projekt wird von Teilen der Berliner CDU blockiert. Wadrum tut sich das CDU-regierte Frankfurt leichter damit?
Frankfurt hat eine ähnliche Drogenproblematik wie Berlin. Es herrscht dort aber ein sehr tolerantes Klima. Rot-Grün hat den Boden dafür bereitet, indem viele niedrigschwellige Angebote für Drogenabhängige entwickelt worden sind. Die CDU geht diesen erfolgreichen Weg sehr pragmatisch im Interesse der Betroffenen und der Stadt weiter.
Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen hat angekündigt, dass unter seiner Führung kein Pfennig für den Modellversuch lockergemacht wird. Kann die Bundeskasse im Zweifelsfall einspringen, um eine Beteiligung Berlins sicherzustellen?
Nein, das kann die Bundesregierung nicht. Wir haben uns über die Finanzierungsmöglichkeiten mit den Ländern intensiv auseinander gesetzt. Der Bund finanziert die wissenschaftliche Begleitforschung und die Hälfte des Case-Managements. München und Karlsruhe haben ähnliche Finanzierungsprobleme wie Berlin, aber beide Städte wollen trotzdem mit eigenen Mitteln in den Modellversuch einsteigen, weil sie diesen für so wichtig halten. Interview: Plutonia Plarre
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