Ich bin mehr als ein Schlüsselumdreher“

■ Ein Berliner Sicherheitsbeamter kontrolliert „schutzbedürftige Objekte“ – mit Auto, ohne Waffen

Berlin (taz) – Die Tür des Transporters ist offen. Torsten Klein verriegelt sie und schaut sich sorgfältig um. Im Innenhof der Gartenbaufirma stehen Geräte, die teurer sind, als sie aussehen. Alle paar Stunden macht Klein hier Inventur. Dazwischen kontrolliert er den Hintereingang eines türkischen Gemüseladens, die Alarmanlage eines Heimatmuseums und die Büroräume einer Software-Firma. Alles „schutzbedürftige Objekte“. Meine Arbeit, sagt Klein, ist wichtig.

Seit vier Jahren ist der gelernte Bäckermeister „Mitarbeiter im privaten Sicherheitsdienst“. Ein Arbeitsunfall, bei dem er einen Finger verlor, hat ihn untauglich gemacht für seinen „Traumberuf“. Torsten Klein wollte auch mit neun Fingern weiterbacken, durfte aber nicht. Zwei Jahre war er arbeitslos, 14-mal hat er sich beworben – vergeblich. Jetzt ist der 35-Jährige „fertig mit der Branche“.

Torsten Klein trägt gern Verantwortung, fährt gerne Auto und hat kaum berufliche Alternativen. Für die Sicherheitsfirma Safety in Berlin ist er der ideale Mitarbeiter. Als Revierkontrolldienstfahrer schickt sie den 35-Jährigen acht bis zehn Stunden täglich auf Achse, bewaffnet mit einem Paar Handschellen, einem Taschenmesser und einem riesigen Schlüsselbund. Der verschafft Torsten Klein Zugang zu Räumen, „in denen Akten mit dem Stempel 'vertraulich‘ offen herumliegen und die Computer noch an sind“. Verantwortungsbewusstsein und absolute Integrität seien in seinem Job wahrlich gefragt, sagt Klein. „Ich bin mehr als ein Schlüsselumdreher.“

Das Image der Wach- und Schließgesellschaft verfolgt die privaten Sicherheitsdienste wie ein Fluch. Dabei tun die meisten ihrer Angestellten inzwischen nichts anderes als ihre staatlichen Kollegen. Ein befreundeter Polizist hat es Torsten Klein neulich ins Gesicht gesagt: „Wir haben eine Knarre, mehr Rechte und werden besser bezahlt als ihr. Das ist der ganze Unterschied.“ Was die „Jungs von der Streife“ offen zugeben, bestreiten ihren Oberen immer noch vehement. Sicherheitsbeamte, so lautet der gängige Vorwurf, hätten im Gegensatz zu Polizeibeamten keine fundierte Ausbildung, ergo sei ihre Arbeit weniger wert.

Torsten Klein grinst. Er hat sich auch schon als Wachpolizist beworben und wurde von der Polizei zum Schreibtest gebeten. „Da musste ich dann Wörter korrigieren wie „Scharloddenburg“ und „Varrad“. Hätte es damals nicht einen Einstellungsstopp gegeben, ich wäre drinnen.“

Stattdessen ging er zur IHK. Dort wurde in drei Tagen aus dem Bäckermeister Klein der Sicherheitsbeamte Klein. Gelernt hat der in den drei Tagen vor allem, was er alles nicht darf. In zweiter Reihe parken zum Beispiel. Im Gegensatz zu Polizisten haben Sicherheitsbeamte im Straßenverkehr keinerlei Sonderrechte. Für Klein ein ständiges Ärgernis, da er alle zehn Minuten einen Parkplatz suchen muss. „Ein paar Rechte mehr könnte man uns wirklich einräumen!“, schimpft er.

Torsten Klein ist von der ruhigen Truppe und nennt sich selbst bescheiden einen „Erfüllungshelfer der Polizei“. Einmal habe er bei einem nächtlichen Kontrollgang einen Einbrecher erwischt und „vorläufig festgehalten“. Verhaften fällt nicht in sein Ressort, ebenso wenig wie Waffen tragen. Manchmal sei ihm deswegen schon etwas mulmig zumute, gesteht der Sicherheitsbeamte. Die Kriminalitätsrate in Deutschland sei schließlich auch nicht ohne. Für einen kurzen Moment verströmt der Erfüllungshelfer Klein, der einst bei der NVA die Kalaschnikow schulterte, Gewaltbereitschaft.

Dann wird sein Blick wieder friedlich. „Es gibt viele alte Wachleute, aber wenig alte Helden“, sagt er. „Und Familie hat man ja auch noch.“

Michaela Kirschner