Russland verbittet sich jede Einmischung in den Krieg

■ Russische Luftwaffe fliegt weiterhin Angriffe auf Tschetschenien. Moskau lehnt EU-Vermittlung ab, Maskhadow bittet Nato um Hilfe. Die in Tschetschenien einmarschierten Truppen befestigen ihre Stellungen

Moskau/Grosny (AFP/rtr/dpa/taz) In Tschetschenien wird weiter gebombt: Bei einem russischen Raketenangriff im Westen der Kaukasusrepublik wurden gestern nach Angaben der tschetschenischen Regierung etwa 30 Menschen getötet. Weitere 32 Personen seien bei einem Angriff auf das Dorf Elistandsi, 65 Kilometer südöstlich Grosnys, verletzt worden. Zuvor hatte die russische Artillerie gestern am Ufer des Terek, 30 Kilometer vor Grosny, stundenlang auf Stellungen der tschetschenischen Truppen gefeuert. Zugleich flog die russische Luftwaffe nach Angaben eines Militärsprechers mehrere Angriffe auf den Osten der Republik an der Grenze zu Dagestan.

Die russische Regierung kündigte an, die Feldkommandeure der muslimischen Rebellen „nach Möglichkeit vernichten“ zu wollen. „Zurzeit werden Operationen durchgeführt, um den Aufenthaltsort von Schamil Bassajew und Chatab festzustellen“, sagte Innenminister Wladimir Ruschailo. „Wenn dies gelingt, werden alle Schritte entweder zu ihrer Ergreifung oder zu ihrer Vernichtung ergriffen.“

Unterdessen befestigten die in Tschetschenien einmarschierten russischen Truppen ihre Stellungen entlang des Terek-Flusses. In den russisch kontrollierten Gebieten wurden Militärkommandanturen gebildet, die nach einem Ende der Militäroperation die Kontrolle der neu gebildeten regionalen Behörden übergeben sollen. Es wurden nächtliche Ausgangssperren verfügt. Der tschetschenische Präsident Maskhadow hat die Nato um Vermittlung zwischen Russland und der abtrünnigen Republik gebeten.

Derweil flüchteten wieder tausende in Panik aus den umkämpften Gebieten. In Tschetscheniens Nachbarrepublik Inguschetien kamen innerhalb von 24 Stunden mehr als 7.000 Tschetschenen an. Die Zahl der Flüchtlinge erhöhte sich damit auf 120.000. Schon jetzt werden in den Flüchtlingscamps Lebensmittel und Wasser knapp. Zudem leiden die Menschen nachts unter zunehmender Kälte.

Zumindest um des Flüchtlingsproblems Herr zu werden, kann sich Moskau ausländische Hilfe vorstellen. Allen anderen diesbezüglichen Bemühungen erteilte die Regierung jedoch gestern erneut eine Absage. „Eine Vermittlung zwischen der Föderationsregierung und einem Mitglied der Russischen Föderation wäre eine merkwürdige Sache und daher abzulehnen“, sagte der stellvertretende russische Außenminister Jewgeni Gusarow beim Besuch der Troika der Europäischen Union (EU) in Moskau. Die EU-Delegation, der die Außenminister Finnlands und Portugals, Tarja Halonen und Jaime José Matos da Gama, sowie der für Außenbeziehungen zuständige EU-Kommissar Chris Patton angehören, beriet auch mit Außenminister Igor Iwanow hinter verschlossenen Türen. Patton zeigte sich über die humanitären Folgen des Konflikts besorgt. In einem Interview sagte er, er werde die Entsendung einer Mission der UNO oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in das Krisengebiet in Erwägung ziehen. Bo

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