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Bäderkultur

Investitionsstopp

Als die DDR 1990 baden ging, muss es für die Bevölkerung ein Erlebnisbad gewesen sein. Ansonsten hinterliess der untergegangene Staat eine Bäderlandschaft, die einer Wüste glich. Von den volkseigenen Hallenbädern waren nur noch 17,5 Prozent ohne zusätzliche Investitionen zu gebrauchen. Bei den Freibädern sah es mit 8,6 Prozent noch düsterer aus. „Gott sei Dank“, wie Carl-Otto Wenzel von der Hamburger Freizeit-Unternehmensberatung Wenzel & Partner frohlockte. Hinterließ die Lücke doch reichlich Platz für frische Investitionen. Ein tatsächlich so genannter Goldener Plan Ost kalkulierte nämlich für den Neubau und die Sanierung von Hallenbädern einen Investitionsbedarf von 5,5 Milliarden Mark, bei Freibädern zusätzlich 3,7 Milliarden Mark. Und weil natürlich alles gleich richtig gut gemacht werden sollte, gingen die Planer fröhlich ans Werk.

Das Ergebnis hat vermutlich nicht nur die Deutsche Bank zusammenzucken lassen. Die jedenfalls hielt es jetzt für dringend geboten, den kommunalen und privaten Bademeistern ins Gewissen zu reden. Am 4. Oktober rief sie unter dem mit dickem Fragezeichen versehenen Titel „Wundermittel Freizeitbad“ rund 150 Betreiber, Investoren und Planer zu sich nach Berlin, um ihnen die „betriebswirtschaftlichen Aspekte des Unternehmens Bad aus der Sicht der Bank“ nahe zu bringen. Die ostdeutsche Badelandschaft droht auszuufern.

Von Pleiten wollte auf der Tagung niemand offen reden. Sanftere Begriffe wie „sinkende Wirtschaftlichkeit“ und „hohes Betriebsrisiko“ müssten den Gästen allerdings klargemacht haben, dass mit jedem weiteren Freizeitbad ein Erlebnis der weniger spaßigen Art bevorstehen könnte. Denn abgesehen von Ostberlin, das durchaus noch vier weitere Freizeitbäder vertragen könnte, wie die Berater von Wenzel & Partner glauben, sind alle neuen Bundesländer mit solchen Einrichtungen hoffnungslos überfrachtet, wenn sämtliche Planungen noch realisiert werden sollten. Allein im dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern, für das die Berater einen kostendeckenden Bedarf von 7 Freizeitbädern errrechnet haben, gibt es bei sinkenden Besucherzahlen heute schon 9 solcher Einrichtungen sowie Planungen für 13 weitere. Die Deutsche Bank will gar von 40 geplanten Erlebnisbädern wissen.

Die Deutsche Bank jedenfalls drohte an, diese „Bädermania“ nicht mehr ohne weiteres zu finanzieren. Wer diesem Haus noch Kredite entlocken will, muss eine überzeugende Wirtschaftlichkeitsberechnung vorlegen. Das gilt mittlerweile auch für Sparkassen, die sich bei kommunalen Kreditwünschen bislang wohl offenherziger zeigen mussten als andere Banken. „Bei Erlebnisbädern“, heißt es in ihrem Tourismusbarometer 1999, „scheint es sinnvoll, vor einer maßgeblichen Angebotserweiterung den Markterfolg aller gebauten, in Bau bzw. in konkreter Umsetzung befindlichen Anlagen abzuwarten.“ Barbara Geier

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