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Ein schwarzer Tag  ■   SPD kann sich nur in der Opposition erneuern

Wer sich gestern Abend die Statements der SPD-Politiker zum Wahlausgang angehört hat, kann nur zu einem Schluss kommen: Die Partei steckt nicht nur in der Krise, ihre Protagonisten leiden zudem unter pathologischem Realitätsverlust. „Wir haben unser Wahlziel, stärkste Partei zu werden, nicht erreicht“, tönte da Annette Fugmann-Heesing. Und Walter Momper schwang sich zu dem Euphemismus auf: „Der Negativtrend vergangener Wahlniederlagen wurde gestoppt.“ Irre irgendwie, oder?

Die schnöden Zahlen sprechen eine andere Sprache, Klartext ist: Die Sozialdemokraten haben ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Berlin eingefahren. Nicht mehr und nicht weniger. Die Partei ist am Boden. Ihre Wähler sind zur CDU und PDS konvertiert – jenen Parteien vermeintlicher Hauptstadtfähigkeit und der sozialen Attitüde. Was tun?

Die Sozialdemokraten können erneut den zähen Weg in die große Koalition antreten. Es gibt zwar keine Regel, dass der kleinere Mitstreiter einer Koalition verliert. Als Juniorpartner der CDU indessen haben sie nur verloren. Ganz gleich, ob beim Sparkkonzept des Landes oder bei der Stadtenwicklung, mit den Meriten haben sich stets der Regierende Bürgermeister und seine Riege geschmückt. Die SPD war zwar der Motor der Koalition, musste aber die Prügel einstecken. Das wird auch jetzt nicht anders werden, schon gar nicht mit einem Personal, das schlaff und ausgelaugt und ohne Innovationen daherkommt.

Der SPD bleibt daher nur der Weg in die Opposition, selbst wenn sie glaubt, der Wähler verüble ihr den Rückzug aus der Hauptstadtverantwortung. Im Gegenteil. Was der Wähler sehen will, ist ein eigenständiges Profil der Partei und ein moderner Diskurs über Stadt-, Finanz- und Sozialpolitik. Was der Wähler sehen will, sind neue Köpfe, sind Alternativen zum Part als CDU- oder Grünen-Sozius. Für Kandidat Momper endeten solcherlei Überlegungen sozusagen am einstigen Mauerstreifen. Für Parteichef Strieder ebenso. Die SPD muss sich erneuern. Das braucht Zeit und Spielraum. Und die Einsicht, dass gestern kein schlechter Tag, sondern ein schwarzer war. Rolf Lautenschläger

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