Vom Thema abgelenkt

betr.: „Der Nachtreter“, „Mannheimer Nächte sind lang“, (Lafontaine-Buch), taz vom 4. 10. 99

Es wäre recht, wenn die Menschen selbst lesen und denken dürften, statt vorab von derart abwertenden Kommentaren vom Thema abgelenkt zu werden.

So sind polemische Gespräche von Regierungs- und Parlamentsmitgliedern, auch solche zu später Stunde, nicht zu vergleichen mit wirklich privaten – etwa sexuellen – Affären derselben. Sie sind weiter nicht zu vergleichen mit den Betriebsgeheimnissen eines Handwerksbetriebs, der wirtschaftlichen Einzelinteressen dient, sondern gerade nach dem Verständnis dieser Regierung – siehe das Vorhaben eines Informationsfreiheitsgesetzes – ist Politisches zunächst generell öffentlich. Abgesehen von persönlichen Angelegenheiten der Betroffenen, die dem Datenschutz unterstehen, sowie – hoffentlich weitgehend unterbleibenden – weiteren „Ausnahmen“. Kritik an solchen Veröffentlichungen sind zwar als Geschmacksfrage möglich, aber nicht als eine Art Vergehen, das eine Richtung diskreditiere oder inhaltlichen Zielen automatisch schade. Das wäre vielmehr der realen Diskussion zu überlassen, wie es sich auswirkt. Die automatischen Parteisoldatenreaktionen einiger sind dafür keine Maßstab.

Angesichts der Stärke der Krise dieser Regierung zählen auch trotz persönlicher Schwächen aller Beteiligten die Inhalte, die ein gerade noch rechtzeitiges Nachdenken über eine Kurskorrektur anmahnen könnten. Dass dabei auch direkt oder indirekt die Frage hinzutritt, welche Personen für welchen Job zu welcher Zeit geeignet sind beziehungsweise welche eher nicht, gehört dazu, auch wenn das nicht alles ist. Hermann Benz