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■ StandbildPittoreske Blutlachen

„Der Mörder meiner Mutter“, Di., 20.15 Uhr, Sat.1

Der LSD-Rausch im Privatfernsehen – das kann nur ein Höllentrip werden. So werden in der Eingangsszene dieses Melo-Schockers denn auch gleich unmissverständlich alle Ingredienzien des Bösen aufgefahren: Der Gangleader, der da mit seinen Leuten in die warm ausgeleuchtete Welt eines Einfamilienhauses eindringt, erinnert an Mephisto, und seine Gefolgschaft kreischt im Blutrausch wie einst der Manson-Clan. Die Hausherrin wird geschlachtet, der Tochter aber gibt der kajalbetuschte Anführer ein philosophisches Bonmot über die Sinnlosigkeit allen Hoffens mit auf den Weg.

20 Jahre später muss Marie Winter (Laura Tonke), so heißt die derart Traumatisierte, noch einmal gegen den teuflischen Balthasar (Sebastian Koch) aussagen. So wird der Nährboden geschaffen für einen Psycho-Zweikampf, in dem Regisseur Lars Kraume routiniert den Bildkatalog des Genres durchzappt: Die Kamera hält ängstlich Abstand vor dem kultivierten und kultisch verehrten Killer, als sei er Hannibal Lector, während sie die verhuschte Heldin, die inzwischen als Kinderbuchautorin die Flucht aus der Wirklichkeit angetreten hat, manisch umkreist. Das bizarre Gewaltballett zu Beginn erinnert an „Clockwork Orange“, und Leichen werden im Stil aktueller Thriller aus der Vogelperspektive gefilmt, während sich unter ihren Köpfen pittoreske Blutlachen bilden.

So erzählt „Der Mörder meiner Mutter“ auch davon, wie das deutsche Privatfernsehen aus dem visuellen Fundus von Werken über Gewalt fischt, ohne sich über die genauere Bedeutung des Fangs Gedanken zu machen. Herausgekommen ist ein Film, der optisch feiert, was er moralisch verdammt – und eine unfreiwillig komische Auslassung zum Thema Drogen: Als Balthasar der Polizei erklärt, wie es zwanzig Jahre zuvor zu dem Massaker gekommen ist, blickt er ihn mit Sie-wissen-schon-Miene an: Sie waren damals halt eine Band gewesen, und sie hatten kein Geld, aber LSD. Also doch: Rockmusik ist Teufelszeug. Christian Buß

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